Wird der „Gletscher“ abgerissen?
Britz. Schandfleck an der Ecke Alt-Britz und Fulhamer Allee: Das ehemalige Restaurant „Mexiko“ gammelt vor sich hin. Nach einem Brand vor zwei Jahren wurde es geschlossen. Warum tut sich hier nichts?
Die Fenster sind mit Spanplatten vernagelt, fehlende Schindeln geben den Blick auf verkohlte Dachlatten und Sparren frei, auf den Eingangsstufen häuft sich der Unrat. Immer wieder machen Gerüchte die Runde, ein Abriss stünde bevor.
Das scheint auch nicht unwahrscheinlich. „Vor einiger Zeit gab es Beratungen mit den privaten Gebäude-Eigentümern. Sie wollten dort zweigeschossige Reihenhäuser bauen“, sagt Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne). Das sei planungsrechtlich grundsätzlich auch möglich.
Einen Abriss könne er nicht verbieten, schließlich stehe das Gebäude nicht unter Denkmalschutz. Ein paar Wörtchen bei der Gestaltung der neuen Wohnhäuser hätte das Bezirksamt aber schon mitzureden. Denn wegen des Umgebungsschutzes benachbarter Denkmäler gibt es Auflagen.
Die Eigentümer hätten sich jetzt aber seit längerem nicht mehr gemeldet, so dass es zurzeit keine neuen Erkenntnisse gebe. Ob und wann ein Bauantrag gestellt werde, könne er also nicht sagen, bedauert Biedermann.
Wie auch immer, die Anwohner ärgern sich über den Verfall des Hauses. Sie sprechen immer noch liebevoll vom „Gletscher“, wenn die Rede von dem Restaurant ist. Der Gletscher, das Traditionslokal mit seinem schönen Sommergarten. Generationen von Britzern haben hier ihre Familienfeste gefeiert.
Stadtführer Reinhold Steinle kann einiges über die Historie des Hauses erzählen. Die Gaststätte gebe es seit 1872, um das Jahr 1900 habe sie aber noch nach dem Gerstensaft geheißen, der ausgeschenkt wurde: „Weiss und Bairisch Bier Local“.
Aus welchem Jahr der Name „Zum Gletscher“ stammt, weiß er nicht genau zu sagen. Woher die Bezeichnung kommt, ist ebenfalls unklar. „Eine Deutung wäre, dass die kleine Anhöhe des Sommergartens einst ein Schuttberg gewesen ist, den ein Gletscher vor sich hergeschoben hat“, so Steinle. Eine Teilnehmerin seiner Führung konnte mit einer anderen Erklärung aufwarten: Ihre Mutter hatte stets vom „Sahnegletscher“ gesprochen, wenn es am Sonntagnachmittag dorthin zu Kaffee und Kuchen ging. Anscheinend gab es riesige Sahneportionen.
Ein anderer Britzer erzählte dem Stadtführer vor Jahren noch eine Geschichte, die er zwar für originell, aber eher unwahrscheinlich hält. Nach dem siebten Bier seien die steilen Stufen zur Straße hinunter so glatt wie ein Gletscher gewesen oder so kalt wie ein solcher, wenn man den Abstieg scheute und sich oben auf die Treppe setzte. sus
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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