Der ehemalige Roxy-Palast wird für einen Monat Ausstellungsraum
Am 12. April zieht für einen Monat Leben in eine Hälfte der riesigen, 59 Meter langen Schaufensterfront an der Hauptstraße. Dann wird die Gruppe Momenta, ein loser Künster-Zusammenschluss, die Gewerberäume des ehemaligen Roxy-Palasts für eine Ausstellung nutzen. Das als Kino- und Bürogebäude errichtete Bauwerk lohnt einen Blick.
Geschmeidig fügt sich der Komplex ein in die Häuserzeile kurz vor dem Breslauer Platz. Langgestreckte, durchlaufende Fensterbänder sind das prägende Merkmal der Fassade. Das über 2400 Quadratmeter einnehmende, trapezförmige Grundstück wurde bis 1929 bebaut. Bauherrin war die im November 1903 gegründete und Anfang 1936 schon wieder liquidierte Berliner Terrain- und Bau-Aktiengesellschaft.
Der Architekt hieß Martin Punitzer. Der 1889 geborene Berliner baute während der 20er-Jahre in seiner Heimatstadt im Stil der Neuen Sachlichkeit vornehmlich Fabrikgebäude. Als Jude von den Nazis verfolgt, floh er nach Chile, wo er 1949 starb. Der einstige Roxy-Palast ist in Stahlskelettbauweise so errichtet, dass sowohl die Fläche im Erdgeschoss als auch die der darüber liegenden Stockwerke variabel genutzt werden konnte.
Das Kino war mit 1106 Sitzplätzen ein richtiges Lichtspieltheater: mit Parkett, Parkettlogen, Orchestergraben und Rang. Es eröffnete am 31. Oktober 1929 im Beisein von viel städtischer Prominenz mit der Berliner Premiere des Stummfilm-Historiendramas „Andreas Hofer“. Im anderen Teil des Gebäudes befanden sich Geschäfte, in den Geschossen darüber Büroräume. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Roxy-Palast teilweise zerstört. 1947, so berichten die Friedenauer Autoren Peter Hahn und Jürgen Stich, sei ein Teil zum Kaufhaus umgebaut, 1951 das Kino und 1987 die ursprüngliche Fassade wiederhergestellt worden. Seit 1988 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.
Das Kino erhielt damals einen Orchesterraum für 40 Musiker. In Berlin waren nach dem Krieg Konzerthäuser Mangelware. Die großen Lichtspielhäuser eigneten sich für einen Umbau. Zur Einweihung wurde im Rahmen des Notstandsprogramms „Künstlernoteinsatz“ Mozarts „Figaros Hochzeit“ gegeben. Das Kino schloss Mitte der 70er-Jahre.
In einem der Büroräume schrieb Uwe Johnson von 1968 bis 1974 große Teile seines Hauptwerks „Jahrestage“. Der Geschäftsraum hatte der Schriftsteller zuvor als Aufbewahrungsort von Unterlagen genutzt, die er bei einem Brand in seinem Atelier in der Niedstraße 14 hatte retten können.
Im ehemaligen Kaufhaus befand sich später die bei US-Soldaten sehr beliebte Diskothek „La Belle“. Auf sie wurde am 5. April 1986 um 1.45 Uhr ein Bombenanschlag verübt. Drei Menschen starben, 28 wurden schwer verletzt. Wie Ermittlungen dazu ergaben, war das libysche Volksbüro in Ost-Berlin für das Attentat verantwortlich. Die Diskothek stellte den Betrieb ein.
Hier nun zeigen Friedhelm Denkeler, Aleksander Gudalo, Thomas Boenisch, Dieter Franke und Horst Hinder, alias Momenta, bis zum 12. Mai donnerstags und freitags, 15 bis 20 Uhr, sowie an den Wochenenden 12 bis 17 Uhr ihre Arbeiten von Malerei bis Fotografie, von gegenständlich bis abstrakt. Eröffnung ist am 11. April um 18 Uhr.
Wer zumindest architektonisch den Hauch der 20er-Jahre spüren möchte, kann den Biomarkt aufsuchen. Er befindet sich dort, wo früher Eingangsbereich, Kasse, Foyer und Parkett des Kinos waren.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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