Fototechnikpionier Ottomar Anschütz nicht vergessen
Ein Foto zum Wikipedia-Eintrag von Ottomar Anschütz aus dem Jahr 2010 zeigt ein ungepflegtes Grab mit einem verwitterten Stein. Die aufgebrachten Lettern mit dem Namen und den Lebensdaten des Verstorbenen sind kaum zu entziffern. Sie werden von zwei Sträuchern verdeckt. So kann sich in Berlin Erinnerungskultur manifestieren.
Ein Besuch auf dem Friedhof an der Stubenrauchstraße, wo der Fototechnik-pionier Ottomar Anschütz (1846-1907) seine letzte Ruhe gefunden hat. Schon am Eingang, beim Blick auf das Informationsblatt zu den Ehrengräbern wird man enttäuscht: Ottomar Anschütz ist nicht aufgeführt. Der einstündige Gang durch die Gräberreihen bleibt ohne Ergebnis. Das Grab auf dem Wikipedia-Fotoist nicht zu finden. Auch Friedhofsgärtner können keine Auskunft geben. Das Friedhofsamt antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf die Frage, wo sich das Anschütz-Grab befindet beziehungsweise befunden hat.
Seit 2009 ist die letzte Ruhestätte von Ottomar Anschütz kein Ehrengrab des Landes Berlin mehr. Der Status wurde ihm aberkannt. Nach den inzwischen wieder ausgesetzten Ausführungsvorschriften aus dem Jahr 2007 bleibt ein Grab nur für 20 Jahre ein Ehrengrab. Danach entscheidet die Senatskanzlei neu. Wenn die Grabstelle kein Ehrengrab bleibt, wird sie eingeebnet. So ist das wohl im Falle von Ottomar Anschütz geschehen.
Wie die Senatskanzlei die Entscheidung trifft, könnte man mit dem Echo-Musikpreis der Deutschen Phono-Akademie vergleichen: Wie dieser sich – jüngst folgenschwer – an Verkaufszahlen orientiert, orientiert sich die Senatskanzlei an der aktuellen Prominenz des zu ehrenden Verstorbenen.
Und da scheint Ottomar Anschütz schlechte Karten gehabt zu haben. Er ist nämlich weitgehend in Vergessenheit geraten, das jedoch zu Unrecht. Er machte die bahnbrechende Erfindung des Rouleau-Verschlusses, der sehr kurze Belichtungszeiten ermöglichte, und lehrte mit seinem „elektrischen Schnellseher“, dem Eleltrotachyscop, die Bilder das Laufen, um nur zwei seiner wegweisenden Errungenschaften in der Fototechnik zu nennen.
Nach Kriterien, wie sie die Senatskanzlei aufstelle, könne man „ein kommerzielles Wachsfigurenkabinett betreiben, sie aber nicht zur Grundlage der Erinnerungskultur machen“, befand der Vorsitzende des Kulturausschusses in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Bertram von Boxberg (Grüne). Ein Antrag seiner Fraktion passierte denn auch die BVV.
Nun muss sich das Bezirksamt bei der Senatskanzlei dafür einsetzen, dass Anschütz' letzte Ruhestätte wieder auf Dauer zu einem Berliner Ehrengrab erklärt und gepflegt wird. Gefordert wird zudem, dass in Berlin kein Ehrengrab mehr seinen Status verliert, bis neue Ausführungsvorschriften für den Umgang mit solchen Grabstätten gefasst worden sind.
Die CDU-Fraktion in der BVV will das Andenken an Ottomar Anschütz noch in anderer Form auffrischen: Sie wünscht sich eine Ausstellung, die die Lebensleistung des Fotopioniers anschaulich erläutert.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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