An der East Side Gallery eröffnete das Wall Museum

Szenen beim Mauerfall, gezeigt in mehreren Screenshots. | Foto: Thomas Frey
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Friedrichshain. Die Geschichte wird nicht nur auf Bildtafeln präsentiert, sondern auch in Form zahlreicher Hörbeispiele und Videoclips. Auf mehr als 100 Screens gibt es Sequenzen bekannter und weniger bekannter Momente.

Sie behandeln die Zeit zwischen 1945 und 1990, also die mehr als vier Jahrzehnte der deutschen Teilung. Berlin-Blockade, der 17. Juni 1953, Kalter Krieg, Mauerbau und Mauertote, Leben in Ost und West, Flucht über Ungarn und Prag, friedliche Revolution, Mauerfall und Wiedervereinigung, selbst das legendäre Konzert von Pink Floyd im Juli 1990 am Potsdamer Platz fehlt nicht bei dieser Ausstellung im neuen The Wall Museum an der East Side Gallery. Es eröffnete am 26. März im Speichergebäude an der Mühlenstraße 78-80. Dort, wo sich bis 1989 der Todesstreifen befand.

Private Initiative

Das Museum entsprang einer privaten Initiative, hinter der sich vor allem der Filmemacher und Eventmanager Jaka Bizilj verbirgt. Er habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Bücher gewälzt, Zeitzeugen befragt und den Rat professioneller Geschichtsdeuter, wie dem ehemaligen ZDF-History-Gesicht Guido Knopp oder dem inzwischen verstorbenen Professor Gerhard Ritter gesucht, erklärt der 44-Jährige.

Wie sehr ihn das Museumsprojekt in den Bann gezogen hat, zeigt Jaka Bizilj während einer Presseführung. In jedem der insgesamt 13 Themenräume kann er mit vielen Erklärungen aufwarten. Sie beziehen sich nicht nur auf die eher gängigen Fakten, sondern geben Zusatzinformationen über bekannte oder weniger bekannte Akteure. Etwa Stanislaw Petrow. Der sowjetische Offizier war 1983 mit einer Computerwarnung konfrontiert worden, nach der amerikanische Atomraketen in Richtung Osteuropa unterwegs seien. Normalerweise hätte Petrow in diesem Moment einen Gegenschlag in die Wege leiten müssen. Er wertete das Computerprogramm aber richtigerweise als Fehlinformation und verhinderte so den Ausbruch des Dritten Weltkriegs.

Unbekannte Helden

Als weiterer unbekannter Held taucht Arpad Bella auf. Der ungarische Grenzsoldat sorgte im August 1989 während des sogenannten Paneuropäischen Picknicks an der Grenze zu Österreich durch Wegschauen dafür, dass zahlreiche DDR-Bürger diese Veranstaltung zur Flucht in den Westen nutzen konnten. "Das alles passierte an seinem Hochzeitstag." Persönlich wird es auch rund um den bekannten Auftritt des damaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher am 30. September 1989 in der Prager Botschaft. Genscher litt zu diesem Zeitpunkt an den Folgen einer Herzattacke. Statt Rekonvaleszenz war in diesen Tagen aber eine rege Pendeldiplomatie angesagt. Mit im Gepäck war immer ein Defibrillator, von dem ein Modell ebenfalls zu sehen ist.

Weltpolitik, gerade in besonderen Zeitenwenden, lasse sich nicht ohne die menschliche Komponente erzählen, meint Jaka Bizilj. Denn welchen Hintergrund die verantwortlich Handelnden haben und wie sich ihr Verhältnis untereinander gestaltet, seien oft entscheidende Faktoren.

Ganz besonders gilt das natürlich für Michail Gorbatschow. Ab dem Moment, an dem der sowjetische Partei- und spätere Staatschef die Weltbühne betritt, kennt Jaka Biziljs Redefluss kein Halten mehr und er glänzt mit Insiderwissen. Schon 1984 hätte Gorbatschow nach dem Tod von Juri Andropow eigentlich an die Spitze der KPdSU gewählt werden sollen. Intrigen aus dem konservativen Lager hätten das verhindert. Ein Jahr später sei das dann, diesmal nach Winkelzügen seiner Anhänger, gelungen.

Gorbatschow und Genscher

Michail Gorbatschow nimmt auch deshalb eine zentrale Stellung ein, weil er als eine Art Spiritus Rector des Museums gilt. Er hatte das Projekt im November 2014, anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls, angekündigt und stand auch für mehrere Interviews zu Verfügung. Im Gegenzug sind ihm Teile der Ausstellung besonders gewidmet.

Gorbatschows Sichtweise sei natürlich besonders eingeflossen, räumt Bizilj ein. Ähnliches gelte für Hans-Dietrich Genscher. Dass gerade die Monate zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung je nach Blickwinkel oft unterschiedlich beschrieben und bewertet wurden, sei eine Erkenntnis gewesen, die ihm bei der Vorbereitung aufgefallen sei.

In der persönlichen Herangehensweise sieht er ebenso ein Alleinstellungsmerkmal wie in der Darstellungsform. Das auch als Antwort auf die Frage, ob Berlin noch ein Mauermuseum braucht. Es bedeute eine Ergänzung zu den bereits vorhandenen Angeboten am Checkpoint Charlie oder der Bernauer Straße, meint Jaka Bizilj. Auch weil es dort andere Schwerpunkte gebe. "Wir präsentieren diese Epoche vor allem im internationalen Zusammenhang." Eine Erweiterung der Schau, um noch konkreter auf die deutsch-deutschen Beziehungen eingehen zu können, spukt ihm bereits im Kopf herum. "Das hängt natürlich davon ab, ob wir weitere Räume bekommen können."

Zunächst ist die Ausstellungsfläche auf die zweite Etage im Speichergebäude begrenzt. Dort habe es die Möglichkeit gegeben, einzuziehen, was als Glücksfall gewertet wurde. "Denn klar war, dass das Museum an einem authentischen Ort eingerichtet werden soll." Und da sei eigentlich nur noch das Gebiet an der East Side Gallery in Frage gekommen.

Die vielen Touristen, die sich dort täglich bewegen, gelten ebenso als potenzielle Besucher wie Schulklassen und natürlich alle, die sich für die Zeit zwischen Teilung und Wiedervereinigung interessieren. tf

Das Wall Museum East Side Gallery ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 12,50, ermäßigt 6,50 Euro. Gruppen ab zehn Personen bezahlen 9,50 Euro. Für Kinder bis zehn Jahren ist der Eintritt frei. Weitere Informationen gibt es unter: www.thewallmuseum.com.
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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