Ex-KulturRaum-Chef Martin Wiebel erhielt Bundesverdienstkreuz
Friedrichshain. Er kommt aus der Film- und Fernsehbranche. Dort gehören die Ehrungen für ein Lebenswerk zum Standard großer Preisverleihungen. Vom Oscar bis zur Goldenen Kamera.
Bei Prof. Martin Wiebel trägt die Lebenswerk-Auszeichnung den offiziellen Namen Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, besser bekannt als eine Kategorie des Bundesverdienstkreuzes. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) überreichte ihm den Orden am 23. August in seinem Amtszimmer im Roten Rathaus.
Gewürdigt wurde damit auch Wiebels Wirken als Kino- und TV-Dramaturg und Produzent. Er war in dieser Funktion ebenso für Komödien wie Detlef Bucks "Männerpension" verantwortlich wie für Regiearbeiten von Volker Schlöndorff, Margarete von Trotta oder dem DDR- und Wendeepos "Nikolaikirche", um nur einige Beispiele zu nennen.
Alles wichtige berufliche Erfolge und Meilensteine der deutschen Filmgeschichte in den vergangenen Jahrzehnten. Aber sie waren nur ein Grund für die Auszeichnung. Denn Michael Müller musste konstatieren, dass Martin Wiebel "am Rhein seine künstlerische und berufliche Wirksamkeit entfaltet hat".
Dem Rudolfkiez verbunden
Dass der Bürgermeister den Geehrten trotzdem als Berliner bezeichnen konnte, der seiner Stadt bis heute verbunden sei, hängt mit dem Verein KulturRaum Zwingli-Kirche zusammen.
Der KulturRaum ist heute weit über den Rudolfkiez oder Friedrichshain hinaus bekannt. Zu verdanken hat er das mehreren großen Ausstellungen in den vergangenen Jahren sowie seinem Programm mit Lesungen, Filmen, Konzerten oder Diskussionen. Damit sorgte er dafür, dass die Zwingli-Kirche, die nicht mehr für Gottesdienste genutzt wurde, eine neue Funktion erhielt und wieder ins Bewusstsein kam. Auch Sanierungen am Gebäude sind dem Verein zu verdanken. 2013 hat er rund eine halbe Million Euro Lottomittel akquiriert, mit denen vor allem eine neue Heizung eingebaut wurde.
Ohne Martin Wiebel wäre das alles nicht geschehen. Als er Mitte des vergangenen Jahrzehnts zum KulturRaum stieß, befand der sich gerade in der Gründungsphase. Schnell gelangte der Professor an die Spitze. Denn was ihn bewog, dort mitzumachen, war mehr als das Interesse für die Geschichte und das Leben am Rudolfkiez.
Buch über den Kiez
Martin Wiebel wurde 1943 in der Rotherstraße geboren und in der Zwingli-Kirche getauft. Sein Urgroßvater war Maximilian Koch, der das Quartier Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute. Nach Kriegsende und der Teilung Berlins verließ die Familie die Gegend. Ersten Berufsstationen bei der Freien Universität, der Freien Volksbühne und dem Spandauer Volksblatt folgte die Filmkarriere.
Eine Rückkehr in die alte Heimat gab es erst nach der Wiedervereinigung. Zunächst ging es darum, das ursprüngliche Eigentum der Familie zurückzubekommen. Als das geglückt war, blieb Martin Wiebel und zog in die einstige Wohnung seiner Eltern.
Daraus folgte die Wiederannäherung mit dem Rudolfkiez. Deren erstes Ergebnis war sein 2004 erschienenes Buch "East Side Story". Historisch, soziologisch, topographisch wird dort das Quartier von vielen Seiten beleuchtet, nicht zuletzt durch viele Zeitzeugenberichte und bis dahin unbekannte Fotos. Wiebel hatte das Material in vielen Gesprächen mit einstigen und aktuellen Bewohnern und Stöbern in Archiven gesammelt. Außer als Buch müsste das auch in einer Ausstellung gezeigt werden, dachte er und das brachte ihn zum KulturRaum.
Bei seinem Einsatz in den Jahren danach paarte sich dann Berufs- und Lebenserfahrung mit dem Fundament der eigenen Herkunft. Wiebel wusste, an welchen Stellschrauben er drehen musste und hatte natürlich ein Gespür für öffentliche Auftritte und Kommunikation. Er konnte Schauspieler und Regisseure in den Rudolfkiez locken. Seine Familiengeschichte lieferte den Überbau für alle Aktivitäten.
Ehrung fürs Lebenswerk
Zumindest bis vergangenes Jahr war das so. Im April 2015 hat er den Vereinsvorsitz abgegeben und gesundheitliche Gründe sowie den Wunsch, mehr Zeit für andere Dinge zu haben, dafür angegeben. Aber natürlich ist Martin Wiebel nicht aus der Welt. Er macht weiter beim KulturRaum mit und ist im Rudolfkiez präsent.
Mit dem Bundesverdienstkreuz soll neben dem künstlerischen Schaffen auch sein ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement an einem besonderen Platz unserer Stadt gewürdigt werden, hieß es beim Regierenden. Letzteres war aber noch mehr: Es war ein Lebenswerk. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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