Begegnungszone im Test: "Reversible Bauten" für Modellprojekt an der Bergmannstraße geplant
Kreuzberg. Die Teile sind aus Holz. Sie können als Sitzgelegenheiten oder Gehwegvorstreckungen dienen. Und vor allem: Sie sind problemlos auf- und wieder abzubauen.
Diese mobilen Stadtmöbel sollen voraussichtlich ab Sommer in der Bergmannstraße aufgestellt werden. Sie sind Teil des Projekts Begegnungszone. Oder besser noch, vielleicht ihr entscheidender Baustein. Denn die temporäre Installation soll die Frage klären, ob die Begegnungszone wirklich den erwarteten Nutzen bringt.
Bisher gibt es dazu noch unterschiedliche Ansichten. Neben Zustimmung würde auch die Meinung vertreten, es solle alles so bleiben, sagt Eckhart Heinrichs, Geschäftsführer des Verkehrsplanungsbüros LK Argus, das mit der Durchführung des Projekts beauftragt ist. Für manche abschreckend war wohl die seit gut einem Jahr bestehende Begegnungszone an der Schöneberger Maaßenstraße. Deshalb entstand für die Bergmannstraße die Idee mit den "reversiblen Bauten". Bereits im vergangenen November wurde das Konzept bei einer Bürgerversammlung vorgestellt und stieß dort zumindest auf keine breite Ablehnung (wir berichteten). Wohlwollen gab es jetzt auch im Ausschuss für Umwelt und Verkehr. Der, beziehungsweise die Bezirksverordnetenversammlung (BVV), muss der temporären Modularlösung zustimmen.
Grundsätzlich geht es bei der Begegnungszone um eine Neuverteilung des Straßenlands sowie die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer. Das bedeute nicht, dass Autos entfernt werden sollen, stellte Eckhart Heinrichs klar. Aber sie werden weniger Platz bekommen, den sie sich mit Radfahrern und Fußgängern teilen müssen.
Die konkreten Veränderungen mit Hilfe der mobilen Aufbauten beziehen sich zum Beispiel auf breitere Gehwege. Etwa am Gesundheitszentrum. Dort sollen die Fahrradabstellplätze vom Bürgersteig verschwinden und auf die bisherige Straße verlagert werden. Auch Lieferzonen für die Geschäfte wird es geben. Es ist daran gedacht, manche Kreuzungen einzuengen. Allerdings zunächst nicht durch verschiebbare Bauteile, sondern in Form von Straßenmarkierungen. Weitere Ideen betreffen eine sogenannte Bedarfsampel. Sie leuchtet immer nur dann, wenn ein Fußgänger passieren möchte.
Trotz positiver Resonanz gab es im Ausschuss auch Fragen und Einwände, speziell zur Kreuzung Zossener-, Bergmann- und Friesenstraße. Anwohner und der Bezirk fordern, sie für den Durchgangsverkehr zu sperren. Wogegen sich die Landesebene bisher sperrte.
Dirk Bartel, neuer Gruppenleiter der Abteilung Fußverkehr in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, deutete zumindest einen möglichen Meinungsumschwung an. Der Abschnitt werde parallel zur Stadtmöbelinstallation weiter geprüft.
Ein weiteres Thema waren die künftig wegfallenden Parkplätze. Rund 70 der bisher 110 entlang der Straße werden verschwinden. Viele Gewerbetreibende sehen das kritisch. Mehr als 100 längst nicht ausgelastete Stellflächen gebe es in der Tiefgarage des Gesundheitszentrums, so Eckhart Heinrichs. Sie sind allerdings kostenpflichtig.
Für ein ausreichendes Angebot soll vor allem eine Parkraumbewirtschaftung sorgen. Dafür liege inzwischen ein Gutachten vor, das die Einführung im gesamten Bereich in Ost-West-Richtung vom Südstern bis zur Bezirksgrenze vorsieht, erklärte Tiefbauamtsleiter Helmut Schulz-Herrmann. Aufgeteilt wird er in zwei Parkraumzonen, deren Grenze der Mehringdamm bildet.
Ursprünglich sei geplant gewesen, die Parkraumbewirtschaftung parallel zum Begegnungszonen-Versuch zu starten. "Das werden wir nicht ganz schaffen", so Schulz-Hermann. Gegen Jahresende werde es eine Parkzone für den Bergmannkiez geben.
Der Versuch mit den temporären Straßenmöbeln soll von diesem Sommer bis Jahresende 2018 dauern. Möglicherweise bleiben sie auch nicht durchgehend an einer Stelle. Sollte sich herausstellen, dass sie an einem anderen Ort zielführender wären, könnten sie auch verlagert werden, erklärte Eckhart Heinrichs. Während der gesamten Testphase werden die Ergebnisse beobachtet, im Fachjargon "evaluiert". Das betrifft auch mögliche Auswirkungen für die nähere Umgebung, etwa eventuell zusätzlicher Verkehr in anderen Straßen.
Der Modellversuch sei ergebnisoffen, versicherte der LK Argus-Chef. Wenn sich herausstelle, dass es viele negative Nebenwirkungen gebe, könne das Projekt Begegnungszone auch aufgegeben werden. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.