Fahrrad sichern und Verwaltung modernisieren: Interview mit Bürgermeister Stephan von Dassel

Wünscht sich, dass ihm 2018 nicht wieder das Fahrrad geklaut wird: Mittes Bürgermeister von den Grünen, Stephan von Dassel. | Foto: Dirk Jericho
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Personalmangel, Wohnungsnot, Schimmelbefall – das waren nur einige Themen, die 2017 im Bezirk Mitte wichtig waren. Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) zieht Bilanz und nennt die großen Projekte fürs kommende Jahr.

Herr von Dassel, wie ist Ihre persönliche Bilanz nach über einem Jahr auf dem Chefsessel im Bezirksamt Mitte?

Stephan von Dassel: Gemischt. Bei vielen Problemen konnten wir Verbesserungen erreichen, aber noch nicht überall so, wie wir uns das im Bezirksamt gewünscht haben. Im Standesamt ist neues Personal eingestellt und die Wartezeiten für Geburtsurkunden haben sich halbiert, aber sind immer noch zu lang. In wachsenden Bereichen wie der Grundsicherung oder dem Unterhaltsvorschuss können wir gar nicht so schnell Personal einstellen, wie die Fallzahlen steigen. Und alles wird natürlich überlagert von fehlenden Büroflächen für unsere neuen Beschäftigten. Die kurzfristig notwendige Schließung unseres Hauses der Gesundheit wegen nicht sanierbaren Schimmelanfalls verlangt allen Betroffenen unglaublich viel Durchhaltevermögen ab. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir im neuen Jahr richtig durchstarten werden.

Ihr knallhartes Vorgehen gegen Verwahrlosung und campierende Obdachlose vor allem im Großen Tiergarten hat Ihnen den Ruf als schwarzen Sheriff eingebracht. Mit der Forderung, polnische Obdachlose notfalls abzuschieben, wurde Ihnen auch von etlichen Grünen-Parteikollegen Rechtspopulismus vorgeworfen...

Stephan von Dassel: Das Wort „Abschieben“ ist sicherlich unglücklich gewesen. Es ging mir darum, Probleme offen und ehrlich zu benennen und dazu gehört auch die Perspektivlosigkeit von EU-Bürgern, wenn sie hier keine Chance auf Arbeit haben. Wenn wir jetzt bessere Hilfen für obdachlose Menschen und neue Methoden entwickeln, um Wohnungsverlust zu verhindern, ist das ein Riesenfortschritt. Und endlich bieten auch die Botschaften der Heimatländer ihren obdachlosen Landsleuten Hilfe an. Auch dass wir als Land Berlin einen Konsens entwickeln, was wir im öffentlichen Raum tolerieren können und was nicht, zeigt, wie notwendig die Debatte war.

Sie hatten im August auch eine Sperrzone für den Straßenstrich in der Kurfürstenstraße gefordert. Auch da stand Ihre Fraktion nicht hinter Ihnen. Sie stimmte in der BVV ebenfalls dagegen. Fühlen Sie sich von ihrer Partei nicht mehr verstanden?

Stephan von Dassel: Auch für die Probleme mit der Straßenprostitution gibt es keine einfachen Lösungen und deswegen sollte es auch keine Tabus geben. Wie sollen sich die Menschen in unserem Bezirk mit ihren Problemen von der Politik ernstgenommen fühlen, wenn wir nicht offen diskutieren? Aber keine Sorge, Meinungsvielfalt wird grade in der grünen Partei großgeschrieben.

Thema Digitalisierung. Sie selbst haben auf eine BVV-Anfrage gesagt, dass die Kollegen mit veralteter Technik und anfälliger Software arbeiten. Was wollen Sie tun, dass Bürgersprechstunden nicht weiter ausfallen, weil Computer nicht funktionieren?

Stephan von Dassel: In einigen Teilen der Bezirksverwaltung – glücklicher Weise nicht in allen – haben wir wirklich großen Nachholbedarf. Mit klugen Onlineverfahren kann man manchen Gang oder Brief ins Amt überflüssig machen, das haben andere Städte längst bewiesen. Als Bezirk sind wir aber abhängig von den technischen Fortschritten im Land, denn natürlich kann nicht jeder Bezirk seine eigene IT-Verfahren entwickeln. Aber der Senat gibt hier nach meiner Wahrnehmung grade richtig Vollgas.

Im vergangenen Jahr hatten sie von einem gläsernen Rathaus gesprochen, das sie sich wünschen: mehr Bürgerbeteiligung, transparentere Informationen über alles, was im Bezirk passiert. Warum geben die Rathausfenster immer noch keine glasklaren Einblicke? 

Stephan von Dassel: Unser Büro für Bürgerbeteiligung hat die Arbeit aufgenommen und die Liste mit allen öffentlichen Vorhaben soll bald veröffentlicht werden. Auch unsere Informationen im Netz und in den Sozialen Medien haben wir ausgebaut und verbessert. Und mein ehemaliges Büro kann jetzt jeder besichtigen und sich über die Geschichte des Hauses als eines der ersten nationalsozialistischen Verwaltungsgebäude informieren. Wir werden zusammen mit der BVV aber weiter prüfen, wo die Verwaltung noch transparenter werden kann.

Berlin braucht bezahlbare Wohnungen, Stichwort Mieterschutz. Will der Bezirk Mitte zukünftig vom kommunalen Vorkaufsrecht Gebrauch machen, um Mieter vor Verdrängung zu schützen?

Stephan von Dassel: Das wollen wir unbedingt! Auch wenn es ein kompliziertes Verfahren ist – nicht nur finanziell. Um das Vorkaufsrecht auszuüben, haben wir jeweils nur sehr wenig Zeit. Und wir müssen eine seriöse Verwaltung des Gebäudes nach einem kommunalen Kauf sicherstellen. Aber dem Irrsinn auf dem Immobilienmarkt und der Verdrängung der Menschen, die hier oft ihr Leben lang gewohnt haben, müssen wir mit allen Mitteln etwas entgegensetzen. Hier wünsche ich mir für den Staat noch mehr Möglichkeiten einzugreifen.

Was sind die drei großen Projekte oder Ziele, die Sie 2018 erreichen und an denen Sie sich am Jahresende messen lassen wollen?

Stephan von Dassel: Spekulation mit Wohnungen müssen wir mit allen Mitteln verhindern und Schutz der Mieter und Mieterinnen verbessern. In unseren öffentlichen Grünflächen und auf unseren öffentlichen Plätzen sollen sich alle Menschen wohl und sicher fühlen – unabhängig von Einkommen und Herkunft. Wir können in 2018 fast 120 zusätzliche Beschäftigte in der Bezirksverwaltung einstellen. Wenn wir hier engagierte und kompetente neue Mitarbeiter finden, können wir deutlich besseren Service für die Menschen in unserem Bezirk anbieten.

Ihre persönlichen Wünsche für das neue Jahr?

Stephan von Dassel: Ein erfolgreiches Staatsexamen für meine Tochter, endlich mal kein Fahrrad gestohlen bekommen und bei der Fünf-mal-fünf-Kilometer-Staffel im Bezirksteam Bestzeit laufen.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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