Nach 40 Minuten gab es schon das Foto
Horst Woike nahm Dampfer und Passagiere auf der Müggelspree aufs Korn
Eine uralte Plattenkamera, einen Hochstand am Ufer der Spree und ein kleines Fotolabor. Mehr brauchte Horst Woike (73) nicht für seinen Job, mit dem er über zwei Jahrzehnte seinen Lebensunterhalt verdiente.</p>Seine Fotos kleben sicher in Tausenden von Alben. Wer immer in den 70er und 80er Jahren eine Dampferfahrt um die Müggelberge machte, kam vor das Objektiv des Müggelheimers. Horst Woike war Schiffsfotograf."Bereits mein Vater war begeisterter Fotograf. Als Arbeiterfotograf hat er in den Zwanzigern soziale Missstände aufgenommen. Als es nach der Weltwirtschaftskrise noch immer keine Arbeit gab, kam er auf die Idee, von der Triglawbrücke in Hessenwinkel die vorbeifahrenden Dampfer mit den Ausflüglern zu fotografieren. Die Bilder brachte er dann schnell zu den Anlegestellen, wo die Dampferfahrgäste Mittagspause machten", erzählt Horst Woike.
Der wohnt in der Siedlung Schönhorst, an seinem Grundstück fließt die Müggelspree vorbei. Das Areal hatte sein Vater, der mit der Schiffsfotografie schnell erfolgreich war, in den 50er Jahren gekauft. Wer öfter mit Ausflugsschiff und Privatboot hier unterwegs war, erinnert sich vielleicht noch an den Hochstand, von dem aus der Senior und später Horst Woike fotografierten. Die Kamera, mit der Vater und Sohn ein halbes Jahrhundert lang die Ausflügler im Südosten Berlins ablichteten, bewahrt Horst Woike immer noch auf. Es ist eine 1923 gebaute Deckrullo Nettel, eine Plattenkamera für das Format 10x15 Zentimeter, die klassische Postkartengröße. "Dadurch mussten die Fotos nicht vergrößert werden, wir haben Kontaktkopien im Maßstab 1:1 gemacht", erzählt Woike.
Ohnehin war Geschwindigkeit das A und O des Jobs. Wenn Horst Woike von den Passagieren auf dem Oberdeck eine Aufnahme gemacht hatte, verschwand Ehefrau Angelika damit sofort in der Dunkelkammer. Dort wurde das Negativ entwickelt, schnell mit dem Fön getrocknet und dann mussten 60 bis 100 Abzüge angefertigt werden. Spätestens 40 Minuten nach der Aufnahme musste Horst Woike mit seinen Fotos an der Fahlenbergbrücke sein. Dann kam "sein" Dampfer schon auf dem Gosener Kanal angefahren. Mit einem Korb und einer langen Stange wurden die Bilder an Bord gerecht, den Verkauf übernahm dann Käptn und Besatzung gegen eine kleine Umsatzbeteiligung.
Woike Junior hatte die Schiffsfotografiererei gemeinsam mit seiner Frau 1972 übernommen, Vater Richard starb 1976. Die beiden haben das Gewerbe immer mehr perfektioniert. Transportiert wurden die Fotos zur Übergabestelle mit dem Moped. Damit er auf kürzestem Weg durch den Wald fahren konnte, hatte Horst Woike sich eine Sondergenehmigung der Forstverwaltung besorgt. Große Schiffe wie die der "Dichterklasse" der Weißen Flotte wurden sogar mehrfach abgelichtet, die Passagiere auf Vorschiff, Sonnendeck und Heck kamen jeweils extra aufs Bild. "Vor allem die Herstellung der bis zu 100 Abzüge war eine ganz schöne Hetzerei", erinnert sich Woike.
Im Winter, wenn keine Schiffe unterwegs waren, hat er in Kitas und Schulen fotografiert und noch nebenbei als Kraftfahrer gearbeitet. Nach der Wende wollten sich die Woikes ein Farblabor zulegen. "Freunde haben uns zum Glück davon abgeraten. Die Schiffstickets wurden teurer, den Leuten saß das Geld nicht mehr so locker in der Tasche", erzählt Angelika Woike. Und 1991 wurde der Hochstand am Spreeufer wieder abgebaut. Fotograf Woike ging aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Ab und zu kommen noch Besucher oder Fachbuchautoren, die sich vor allem für Bilder schon lange verschrotteter Schiffe interessieren. Dann freut sich Horst Woike, wenn er helfen kann.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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