Die durchgeknallten Rixdorfer vom Böhmischen Platz

Artur Albrecht (rechts) und Mitglieder seines Ensembles, im Hintergrund das Theater "Hotel Rixdorf", das frühere "Central Rixdorf". | Foto: Schilp
  • Artur Albrecht (rechts) und Mitglieder seines Ensembles, im Hintergrund das Theater "Hotel Rixdorf", das frühere "Central Rixdorf".
  • Foto: Schilp
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Neukölln. Die Handpuppen sind im vorläufigen Ruhestand, doch das Kaspertheater geht weiter – dieses Mal mit acht lebenden Personen. Am 29. Februar um 20 Uhr wird die Premiere von „Hotel Rixdorf“ gefeiert, im gleichnamigen Theater an der Böhmischen Straße 46. Inszeniniert wird das Stück von Theatermacher Artur Albrecht und seiner Mannschaft.

Die turbulente Komödie basiert auf dem über 100 Jahre alten Erfolgsstück „Pension Schöller“. Zum Inhalt: Gutsbesitzer Klapproth – dargestellt von Neuköllns schwäbischen Stadtführer Reinhold Steinle – will einmal echte Verrückte erleben. Sein Neffe kommt auf die Idee, ihm die Pension Schöller, beziehungsweise das Hotel Rixdorf, als Irrenanstalt zu verkaufen. Schließlich sind die Gäste ziemlich exzentrisch. Das Chaos nimmt seinen Lauf.

Artur Albrecht hat eine besondere Beziehung zu dem Stück. Es sei seine „Wachküssung“ gewesen, sagt er. Sprich: Danach ließ ihn das Theater nicht mehr los. Als Kind vor dem Fernseher habe er sich vor Lachen in die Hose gemacht, als Eugen Rümpel aus dem Schrank taumelt und verzweifelt ruft: „Nuft, Nuft und ein Gnas Wasser! Mir ist eine Fniege in den Hans gefnogen.“ Klar, dass Albrecht diese Rolle übernommen hat.

Niemals wäre es ihm in den Sinn gekommen, dass er einmal am Böhmischen Platz landen würde. Vor zehn Jahren suchte der Schauspieler – von München über Prenzlauer Berg nach Neukölln gekommen – einen Theaterraum und hatte eigentlich den Reuterkiez im Sinn. Doch dort war es schon voll. Die Zwischennutzungsagentur des Quartiersmanagements schlug den Böhmischen Platz vor. Seine Bedenken „so weit draußen“ zerschlugen sich augenblicklich, als er den leerstehenden Laden betrat, der sein Kaspertheater werden sollte – es war Liebe auf den ersten Blick.

Damals und heute

Die Renovierung begann und bald füllte sich der kleine Raum regelmäßig, wenn das Krokodil seinen Auftritt hatte, Kasper sein Wesen trieb oder König Buschi seinen Untertanen die Ehre erwies. „Einsfünfzig Eintritt, aktuelle Bezüge und Scherze, über die Kinder und Erwachsene lachen konnten“, umreisst Albrecht das Konzept. Und es freute ihn immer wieder, wenn seine Gäste den Böhmischen Platz kennenlernten. Zwei Sätze seien immer wieder gefallen: „Hier war ich noch nie“ und „Das ist aber schön hier.“

Albrecht liebt den Kiez. „Nein, das ist gar kein Kiez, das ist ein richtiges Dorf“, präzisiert er. „Setz dich zwei Stunden auf den Platz, danach weißt du alles, was in den letzten Tagen passiert ist.“

Ihn fasziniert, wie sich der Platz verändert hat. Als er kam: tote Hose, leerstehende Läden und Wohnungen, raues Klima. Nach und nach entdeckten dann immer mehr Wohnungssuchende die schönen Altbauten. Vor drei Jahren habe dann das „große Monopoly“ Fahrt aufgenommen: Die ersten Häuser wurden verkauft. Inzwischen haben fast alle Gebäude am Platz den Besitzer gewechselt. Gegenüber soll ein Feinkostladen mit Verzehr einziehen, daneben ein Edelitaliener, daneben ein Lampendesigner.

Die Verwandlung betrachtet Albrecht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Natürlich sei es hier schöner geworden, sehr viel schöner sogar. Und lebendiger, und die Menschen freundlicher. Andererseits erlebe er live, wie Gentrifizierung funktioniere, also die Aufwertung eines Viertels, die jedoch oft mit der Verdrängung der Alteingesessenen einhergeht. „Erst kommen die armen Künstler – so wie wir –, dann die Studenten, dann werden die Häuser verkauft, dann die Wohnungen; als Erstes gehen die armen Künstler wieder.“

Auch seine Mitstreiter und er hätten nach der dritten Mieterhöhung erwogen, den Laden dichtzumachen. „Aber dann haben wir gedacht: Wir krallen uns hier fest. Dann soll der neue Drei-Sterne-Platz eben ein Drei-Sterne-Hotel bekommen: das Hotel Rixdorf“. Also benannte die Truppe das Theater um, zuvor hieß es „Central Rixdorf“, und macht jetzt einen neuen Anlauf. „Viel Geld hat keiner von uns. Wir sind darauf angewiesen, dass Leute kommen“, so Albrecht.

Er ist gespannt darauf, wie es am Böhmischen Platz weitergeht. „Das ist jetzt eine gute Mischung hier, aber ich habe Angst vor der Gier der Immoblienbranche.“ sus

Die nächsten Aufführungen von „Hotel Rixdorf“ sind am 29. Februar, am 4. und am 5. März um 20 Uhr. Der Eintritt beträgt sieben, ermäßigt fünf Euro. Karten gibt es unter  26 37 88 12. Wer sich das Theater einmal anschauen möchte: Jeden Sonnabend von 12 bis 14 Uhr gibt es eine hausgemachte Suppe gegen eine Spende.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 871× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 1.536× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 1.203× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.627× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.523× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.