Bezirksamt nutzt Vorkaufsrecht: „Stadt und Land“ übernimmt Mietshaus, Privatinvestor geht leer aus
Neukölln. Die Mieter können aufatmen: Zum ersten Mal hat das Bezirksamt in einem Milieuschutzgebiet von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Das Haus an der Liberdastraße 10 geht deshalb nicht an einen privaten Investor, sondern an die städtische Wohnbauten-Gesellschaft „Stadt und Land“.
Die Liberdastraße ist eine kurze Straße, die zwischen Maybachufer und Pflügerstraße liegt. Eine Wohnlage, die durchaus auch für Leute mit dickem Geldbeutel attraktiv ist. Weil seit Mitte des vergangenen Jahres Milieuschutz im Reuterkiez gilt, kann das Bezirksamt Hauseigentümern Luxussanierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen untersagen. Auch der Kauf eines Hauses ist genehmigungspflichtig. Erlaubt wird er nur, wenn der Erwerber eine „Abwendungsvereinbarung“ unterschreibt. Mit dieser erklärt er sich bereit, die Ziele des Milieuschutzes zu unterstützen, also zum Beispiel auf Umwandlung in Eigentum zu verzichten.
„Im Fall der Liberdastraße hat der Kaufinteressent nicht unterzeichnet“, so Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne). Deshalb habe der Bezirk sein gesetzliches Vorverkaufsrecht genutzt und sich mit dem Gebäudeeigentümer auf einen Preis geeinigt. Der liege zwischen zwei und drei Millionen Euro. Weil das Bezirksamt selbst kein Geld für Hauskäufe hat, wurde die „Stadt und Land“ für das Vorhaben gewonnen – unterstützt von den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung sowie Finanzen. „Das Ganze war nur als gemeinsame Anstrengung aller möglich“, betont Biedermann.
Viel Applaus erntet er von den Grünen, die sich seit Jahren für Milieuschutzgebiete im Bezirk stark machen, jedoch lange am Widerstand von SPD und CDU scheiterten. Die Neuköllner Vorstandssprecherin Christine Spannagel sagt: „Durch diese Blockadehaltung haben wir viel Zeit verloren. Der Gebrauch des Vorkaufsrecht ist ein wichtiges Zeichen, dass wir Ernst machen im Kampf gegen soziale Verdrängung.“
Die Mietwohnungen an der Liberdastraße seien nun langfristig in öffentlicher Hand und der Spekulation entzogen. Seit Jahren ist die Entwicklung im Reuterkiez für viele Bewohner besorgniserregend. „Zwischen 2009 und 2015 sind die Mieten um 76 Prozent gestiegen. Der Quadratmeter kostete bei Neuvermietung 2015 durchschnittlich 10,60 Euro“, so Grünensprecher Raphael Schanz.
Im Bezirk Neukölln gibt es neben dem Reuterkiez noch vier weitere Milieuschutzgebiete: Schillerpromenade, Flughafenstraße/Donaustraße, Rixdorf und Körnerpark. In zwei weiteren Kiezen laufen Voruntersuchungen: rund um den Hertzbergplatz und an der Silberstein-/Glasower Straße. sus
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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