Stadtrat spricht: „Milieuschutz funktioniert nicht“
Neukölln. Zur Wahl am 18. September tritt Jugend- und Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) als Bürgermeister-Kandidat an. In einem Gespräch mit Sylvia Baumeister erläutert er, welche Themen ihm im Bezirk besonders am Herzen liegen und welche Ziele er hat.
Herr Liecke, was sind Ihre drei wichtigsten Themen im Bezirk für die kommenden fünf Jahre?
Falko Liecke: Das sind die Infrastruktur und öffentliche Gebäude, Kinder- und Jugendeinrichtungen und Schulen. Wir müssen investieren, um sie Instand zu halten. Das zweite ist die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dazu zählen das Müllproblem, die Aufstockung des Personals im Ordnungsamt sowie die Beleuchtung in dunklen Ecken, um Gefährdungsbereiche etwas sicherer zu machen. Dritter Punkt ist für mich die Förderung der Wirtschaft und Kreativität in Neukölln. Für Unternehmen, die sich hier im Bezirk entwickeln wollen, brauchen wir auch eine Liegenschaftspolitik, damit diese genügend Flächen haben, um sich erweitern zu können.
Welche Probleme bereiten Ihnen am meisten Kopfzerbrechen?
Das Thema Gewalt in Neukölln. Wir haben weiterhin die höchste Intensivtäterquote. Mit meiner Arbeitsgruppe Kinder- und Jugendkriminalität haben wir bald ein gutes Mittel dagegen. Eines der größten Probleme ist, genügend Wohnraum für die Bevölkerung zu haben. Da kann der Bezirk natürlich nicht so eingreifen. Der Milieuschutz funktioniert nicht, ich halte ihn für ein Placebo-Instrument.
Warum halten Sie nichts vom Milieuschutz?
Sie können den Markt nicht aufhalten, indem Sie einen zweiten Balkon verbieten. Zudem will ich eine echte Bevölkerungsmischung, gerade in Nord-Neukölln. Es bringt uns nichts, wenn in manchen Schulklassen alle Kinder aus Familien mit Hartz IV Bezug kommen. Ein Bevölkerungsmix trägt dazu bei, dass bildungsorientierte Familien ihre Kinder dann auch hier in die Schule bringen. Davon profitieren alle Kinder. Um diese Familien in Neukölln zu halten, muss es auch in Zukunft möglich sein, Eigentum zu erwerben. Der Milieuschutz verhindert das aber. Wohneigentum ist darüber hinaus die sicherste Form von Vorsorge für das Alter, die sich Familien mit mittleren Einkommen leisten können. Es wäre nicht richtig, ihnen das zu verbieten.
Haben Sie Befürchtungen, dass der derzeitige politische Konflikt in der Türkei auch auf Neukölln überschwappt?
Ich glaube, der Konflikt ist hier bereits angekommen. Das macht mir große Sorge. Weil beispielsweise der DITIB (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.) derzeit sehr intensiv Werbung für Erdogan macht. Das ist eine staatlich organisierte Form von Propaganda, denn DITIB ist ja dem türkischen Religionsministerium zugeordnet. Es ist ein No-Go, das die Menschen, die in einem anderen Land mit anderen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten leben, den Türkei-Konflikt hier hereintragen. Das halte ich für gefährlich und das sollten wir uns nicht gefallen lassen. Ich möchte das nicht erleben, wenn die vielen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen alle auf unseren Straßen aufeinander prallen.
Was kann der Bezirk gegen Radikalisierungstendenzen tun?
Es ist entscheidend, dass wir das Thema De-Radikalisierung schon bei der Jugend viel stärker und systematischer angehen. Die Islamisten erreichen die Kinder schnell. Wir müssen schneller sein. Dafür brauchen wir dringend die Mittel.
Mit welchen erreichten Zielen als Stadtrat für Jugend und Gesundheit sind sie besonders zufrieden?
Fertig kann man aufgrund der Herausforderungen, die wir hier haben, nicht sein. Womit ich zufrieden bin, ist unsere Präventionskette. Mit einem breiten Angebot geben wir allen Neuköllner Familien von Anfang an Unterstützung. Das kann sich berlinweit sehen lassen. Beispiele sind die App „Gesundes Neukölln“ sowie das Begrüßungspaket, das Babylotsenprojekt, Familiengutscheine, Familienzentren und die Schreibabyambulanz. Solche Projekte haben wir vorangetrieben, mit dem Wissen, je früher wir anfangen, desto besser sind die Chancen, dass die Kinder sich gut entwickeln.
Würden Sie nach der Wahl lieber die Zählgemeinschaft mit der SPD fortsetzen oder lassen Sie alle Optionen offen?
Ich bin nicht nach allen Seiten offen. Mit der AFD würden wir auf keinen Fall zusammen gehen. Die SPD wird auf jeden Fall keine 40 Prozent mehr einfahren, wie bei der letzten Wahl. Wir kämpfen dafür, dass die AFD zumindest nicht so viel Stimmen bekommt, dass sie einen Stadtrat stellt. SB
Autor:Sylvia Baumeister aus Neukölln |
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