Im Frauenviertel erinnert eine Straße an die Ärztin Käte Frankenthal

Es ist keine große Straße, die an die engagierte Ärztin erinnert, sondern ein Weg für Radler und Fußgänger, der vom Ottilie-Baader-Platz zur Schönefelder Straße führt. | Foto: Schilp
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In Rudow ist das erste Wohnquartier in Deutschland entstanden, in dem alle Straßen, Wege und Plätze nach weiblichen Persönlichkeiten benannt sind: das Frauenviertel. Eine der Namensgeberin ist Käte Frankenthal.

Bevor im Jahr 1996 im Neubaugebiet auf den ehemaligen Rudower Feldern – nahe der Stadtgrenze – die ersten Straßenschilder montiert wurden, hatte es viel Streit gegeben. Gegner der Initiative behaupteten, es gebe gar nicht genug Frauen, die sich für Neukölln verdient gemacht hätten. Der Polizeipräsident kritisierte, die Straßennamen seien zu lang. Wieder andere fanden den Plan überflüssig und albern. Doch die Mehrheit der Bezirksverordneten entschied sich für ein Frauenviertel, die 20 Namensgeberinnen waren schnell gefunden.

Eine der ungewöhnlichsten unter ihnen ist die Ärztin Käte Frankenthal. Zur Welt kam sie 1889 in Kiel als Tochter einer strenggläubigen jüdischen Familie. Berlin lernte sie schon als 18-Jährige kennen, während eines längeren Aufenthalts bereitete sie sich aufs Abitur vor. Es blieb aber nicht beim Büffeln: Käte begann zu rauchen, Alkohol zu trinken, sie boxte, focht und lernte Jiu-Jitsu. Schnell war ihr klar, dass das Leben als Mutter, Ehe- und Hausfrau nichts für sie war. Tatsächlich sollte sie nie heiraten, sondern nur einige kürzere sexuelle Beziehungen führen.

Sie studierte und war eine der ersten Frauen, die ihr Medizin-Examen an einer deutschen Universität ablegten. Inzwischen war der Erste Weltkrieg ausgebrochen. Als Pazifistin lehnte Käte ihn ab, trotzdem wollte sie den Soldaten medizinisch zur Seite zu stehen. Darauf war die kaiserliche deutsche Armee nicht vorbereitet: Militärärztinnen gab es nicht. Doch die österreichisch-ungarische Armee nahm sie auf. Bis Anfang 1918 arbeitete Käte Frankenthal in Frontlazaretten auf dem Balkan.

Sie kehrte nach Berlin zurück, trat eine Stellung an der Charité an, betrieb nebenbei eine Praxis für Ehe- und Sexualberatung, versorgte während der Novemberrevolution Aufständische auf den Straßen und bekannte sich offen zur Sozialdemokratie. Die Charité musste sie 1924 wegen der „Abbau-Verordnung“ verlassen. Diese verlangte, Platz für Ärzte zu machen, die „im Felde“ gedient hatten. Nach einigen Zwischenstationen wurde sie 1928 zur Stadtärztin in Neukölln gewählt. Schnell setzte sie in der Stadtverordnetenversammlung durch, dass in den Sexualberatungsstellen kostenlos Verhütungsmittel abgegeben werden durften, damals vor allem Kondome und Pessare. Auch Unverheiratete und Jugendliche wurden versorgt – ohne nach dem Grund zu fragen oder das Einverständnis der Eltern einzuholen.

Unermüdlich engagierte sich Käte Frankenthal politisch, war Mitglied im Preußischen Landtag und trat immer wieder gegen den Paragraphen 218, das Abtreibungsverbot, auf. Ohne Erfolg. Sie schreibt in ihren Erinnerungen: „Es verging fast kein Tag, an dem nicht weinende Frauen und Mädchen in meinem Sprechzimmer saßen und mich anklagten: ‚Wenn Sie nicht helfen. Sie haben doch gesagt und geschrieben, dass das Gesetz schlecht ist.'“

Die Nazis trieben sie ins Exil. Mit Hitlers Machtübernahme wurde sie am 15. März 1933 vom Neuköllner Bezirksamt beurlaubt. „Ich passte in jede Kategorie, die von den Nazis verabscheut wurde; Jüdin, Sozialistin, Volksvertreter, emanzipiertes Weib ... Ich hatte nichts mehr in Deutschland zu tun“, schrieb sie. Übrigens: Die Nazis wandelten die Ehe- und Sexualberatungsstellen – in Berlin gab es rund 40, in Neukölln zwei – in „Rasseberatungsstellen“ um. Doch die Abgabe von Verhütungsmittel zu verbieten, wagten sie nicht.

Schon zwei Wochen nach ihrer Entlassung verließ Käte Frankenthal ihr geliebtes Berlin. Mit 54 Jahren begann sie in den USA noch einmal etwas Neues: Sie absolvierte eine Ausbildung zur Psychotherapeutin und betrieb bis ins hohe Alter eine Praxis. Rückblickend schreibt sie: „Wenn ich mein Leben neu anzufangen hätte, würde ich es – abgesehen von einigen dummen Fehlern – gar nicht ändern, ich würde den gleichen Beruf wählen, die gleiche politische Tätigkeit und das gleiche freudige Alleinleben.“ Käte Frankenthal starb 1976 in New York.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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