Oeynhausen-Kompromiss: Groth baut 900 Wohnungen und verschont halbe Kolonie

Links Wohnungen, rechts Gärten: Bürgermeister Reinhard Naumann und Stadtrat Marc Schulte zeigen einen Plan der geteilten Kolonie. | Foto: Thomas Schubert
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Schmargendorf. Bäume oder Beton? So hieß die Frage bei der Kampagne zum Bürgerentscheid um die Kolonie Oeynhausen im Jahre 2014. Die Antwort lautet: beides. Denn bei Verhandlungen erstritt die Groth-Gruppe das Recht, sechs- statt dreigeschossig zu bauen. Dafür bleiben 150 Gärten unberührt. Die Grundsteinlegung erfolgt wohl noch in diesem Jahr.

Es ist das größte Wohnungsbauprojekt im Gebiet des Bezirks. Und im jahrelangen Poker, ob und wie dafür die Kleingartenkolonie Oeynhausen weichen muss, herrscht nun erstmals Klarheit. Die Fakten lauten wie folgt: Im vierten Quartal 2016 legt die Groth-Gruppe als Käufer des Grundstücks auf dem westlichen Koloniegelände den Grundstein für 900 Wohnungen, die sich kompakt auf sechs Stockwerke verteilen – und nicht wie ursprünglich geplant dreistöckig auf ganzer Breite. 1000 Quadratmeter Geschossfläche sind vorgesehen – laut Groth-Geschäftsführer Henrik Thomsen ein Mix aus Wohneigentum und Mietunterkünften, wobei 65 durch Preisbindung für kleinere Einkommen erschwinglich sein sollen.

Mit dem Bezirksamt einigte man sich außerdem auf die Schaffung von 28 neuen Schulplätzen im Wert von einer Million Euro und bis zu 80 Kitaplätze. Im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags wird laut Baustadtrat Marc Schulte (SPD) die Schaffung eines Stadtplatzes in der Flächenmitte verankert. „Er soll öffentlich zugänglich sein. Und es entsteht keine Gated Community“, lautet das Versprechen. Allerdings bleibt auch die östliche Teilfläche, auf der 150 Parzellen der Kolonie Oeynhausen erhalten bleiben, in Groths Besitz.

Räumung im Winter unzumutbar

Dies gilt als einer der Unterschiede zwischen dem jetzt vereinbarten Kompromiss und einem früheren, der nicht zustande kam. „Der ursprüngliche Kompromiss, den die SPD forderte, hätte ein anderes Ergebnis gehabt“, erklärte dazu Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD). Im Jahre 2013 hätte die Osthälfte der Kolonie noch in öffentlichen Besitz übergehen können. „Aber das Pendel schlug zugunsten des Eigentümers aus“, kommentiert Naumann die gerichtlichen Entscheidungen des vergangenen Herbstes. Unter diesen erschwerten Voraussetzungen sieht er den neuen Kompromiss als Erfolg.

Die SPD- und die CDU-Vertreter im Bezirksamt, der Bezirksverband der Kleingärtner, die Groth-Gruppe, alle BVV-Fraktionen mit Ausnahme der Piraten – sie alle sind sich einig geworden nach wochenlangen vertraulichen Verhandlungen. Nun soll ein Bebauungsplanverfahren in Gang kommen, das die Ergebnisse untermauert.

Jedoch ließ der stellvertretende Bürgermeister Carsten Engelmann (CDU) durchblicken, dass es bis vor Kurzem noch „unterschiedliche Stimmungslagen“ gab. Erst nachdem der Kleingärtnerverband Zustimmung signalisierte, habe die CDU eingelenkt. So lange wie möglich habe man gemäß des Bürgerentscheids aus dem Jahre 2014 darauf bestanden, 100 Prozent der Gärten zu sichern. Auch Naumann und Schulte versichern, dass eine komplette Rettung der Kolonie bis jetzt ihr Ziel war. „Dissens gab es nur über den Weg zur Zielerreichung“, sagt der Bürgermeister. Und meint die höchst unterschiedlichen Einschätzungen zu Entschädigungsansprüchen, belegt durch zehn verschiedene Gutachten. Sie schwanken zwischen 0 und über 30 Millionen Euro.

All diese Auslegungsweisen wurden nun durch einen Gerichtsentscheid zur Makulatur. Als Erleichterung für den Bezirk konnte Stadtrat Schulte aushandeln, dass die Grundstückserschließung durch Groth bezahlt wird und nicht vom Bezirk. Er habe nun einen Bauvorberscheid erlassen, so dass die Räumung der verlorenen Koloniehälfte bis Ende Januar erfolgen muss.

„Dieser Termin ist eine Zumutung“, kommentierte Peter Biastock vom Kleingärtnerverband das plötzliche Ende und den Abbau bei Schnee und Frost. Auch seine Seite habe dem Kompromiss letztliche zugestimmt – „aber unsere Dankbarkeit hält sich in Grenzen.“ Die Stadt der Zukunft brauche dringend Grünflächen wie diese. Bialstok ließ durchblicken, dass wohl trotz Entschädigungszahlungen nicht alle Gärtner ihre Parzellen widerstandlos verlassen werden. Es gebe sogar einen Mann, der auf dem Gelände regulär wohnt.

Wenig Widerworte hörte man von Groth. „Wir haben immer an den Kompromiss geglaubt“, äußerte sich Geschäftsführer Thomsen. Und verwies auch auf die Verwurzelung seines Unternehmens im Bezirks, von wo man seit 30 Jahren die Geschicke leitet. Er hofft auf gute Nachbarschaft mit den Gärtnern. Wie Bäume und Beton in der Praxis zusammengehen, zeigt sich in diesem Herbst. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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