Bewegende Stolpersteinverlegung in der Hauptstraße

Erinnerung im Boden: Stolpersteine für Marie Spiegelglas und Margit Benedik. | Foto: KEN
2Bilder
  • Erinnerung im Boden: Stolpersteine für Marie Spiegelglas und Margit Benedik.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Schöneberg. In einer bewegenden Zeremonie wurden am 30. Juni vor dem Haus in der Hauptstraße 5 zwei Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an Marie Spiegelglas und ihre Schwester Margit Benedik.

Die beiden Frauen wurden 1943 nach Auschwitz deportiert und vermutlich noch am Tag ihrer Ankunft ermordet.

Zu der Stolpersteinverlegung des Künstlers Gunter Demnig waren Nachkommen der Ermordeten aus vielen Teilen der Welt gekommen, außerdem Stolpersteinkoordinatorin Ursula Renner, Baptistenpastor Michael Noss und die Leiterin der Löcknitz-Grundschule, Sabine Staron. Schüler der Schule, die mit einem besonderen Rechercheprojekt an ehemalige jüdische Mitbürger erinnert, umrahmten die Feier mit Musikbeiträgen.

Aus Jerusalem war George Shefi angereist. Der heute 85-Jährige ist der Sohn von Marie Spiegelglas. Die Familie war gut situiert. George wuchs behütet und umsorgt auf. Den Terror der Nazis lernte er erst unmittelbar nach dem Novemberpogrom 1938 kennen, als seine Schule, die direkt an eine Synagoge angrenzte, angezündet wurde und niederbrannte.

Mit einem Kindertransport gelang George Shefi die Flucht nach England. Er wurde von einer Familie aufgenommen. Seine Mutter, eine Tante und sein Großvater mussten in Berlin zurückbleiben und Zwangsarbeit leisten: Mutter Marie Spiegelglas, Jahrgang 1908, bei Finker & Co., die Tante Margit Benedik, elf Jahre älter als ihre Schwester, bei Siemens & Halske. Der Großvater starb bald an Entkräftung. Mutter und Tante wurden am 29. Januar 1943 verschleppt und ermordet.

Nachdem George Shefi einen deutschen Luftangriff auf London erlebt hatte, reiste der Neunjährige mit einem Truppentransporter mit kanadischen Soldaten auf den nordamerikanischen Kontinent. Er lebte zunächst bei einem Onkel in den Vereinigten Staaten, bevor beide 1948 nach Israel auswanderten.

George Shefi hält heute Vorträge über sein Schicksal und seine persönlichen Erfahrungen mit dem Holocaust. In seinen Erinnerungen „Der Weg des Schicksals“ (The Way of Fate, 2004) schreibt er: „Ich denke, dass sich die Entscheidung meiner Mutter kurze Zeit nach der Reichskristallnacht, an die ich mich noch lebhaft erinnere, herauskristallisiert hat. Ich war zwei Tage lang zu Hause regelrecht wie im Gefängnis eingesperrt, weil meine Mutter Angst hatte, mich vor die Tür gehen zu lassen. Als ich aber vor die Tür ging, sah ich das Resultat. Alle Geschäfte in jüdischem Besitz hatten zerbrochene Fensterscheiben und waren innen ausgeraubt worden. Der Schreibwarenladen direkt nebenan, der einem gemischten Ehepaar gehörte, er war Jude und sie Christin, war allerdings als einziger Laden nicht zerstört worden. Es waren jedoch auf dem Bürgersteig davor alle möglichen obszönen Sprüche gekritzelt worden. Der Besitzer war gerade dabei, den Bürgersteig sauberzuschrubben, während eine Ansammlung von Menschen glotzte und sich darüber mokierte.“ KEN

Erinnerung im Boden: Stolpersteine für Marie Spiegelglas und Margit Benedik. | Foto: KEN
Was nach der Feierstunde bleibt: zwei kleine Bodendenkmäler im Gehweg. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 579× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 862× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 838× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.217× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.