Auf den Teller statt in die Tonne
Querfeld GmbH rettet Obst und Gemüse mit optischem Makel
Gesehen hat Frederic Goldkorn bei seiner Arbeit schon einiges. Zum Beispiel eine Kartoffel, die geformt war wie ein Wal, eine Karotte mit zwei Beinen oder eine Tomate mit zwei Nasen, die „wie ein Teufelchen aussah“. Krummes Obst und Gemüse wie dieses wird bereits aussortiert, bevor es überhaupt in den Verkauf kommt.
Jedes Jahr landen auf diese Weise in Deutschland Unmengen von Lebensmitteln in der Tonne, nur weil sie optisch nicht perfekt sind. Die Querfeld GmbH hat es sich zur Aufgabe gemacht, gegen diese Verschwendung anzukämpfen. Nach Angaben des Unternehmens, das in der Moosdorfstraße 7-9 nahe dem Treptower Park seinen Sitz hat, werden bis zu 30 Prozent jeder Obst- und Gemüseernte aussortiert, weil sie den optischen Ansprüchen des Handels nicht genügen. Das sei ein „riesiges Problem“.
Deutschlandweites Netzwerk
Geschäftsführer Frederic Goldkorn hat Querfeld im Jahr 2016 mitgegründet. Der gebürtige Münchner, aufgewachsen im bayerischen Hof, studierte Strategisches Management in Innsbruck. 2014 besuchte er in Berlin die Konferenz „Wir haben es satt!“, wo Alternativen zur industriellen Lebensmittelproduktion vorgestellt und diskutiert wurden. Danach sei er zu dem Schluss gekommen, er müsse etwas machen. Anfangs fuhr Goldkorn mit dem Van eines Kumpels noch selbst zu Landwirten nach Brandenburg, um frisches Obst und Gemüse abzuholen und an Kitas auszuliefern. Auch auf Festivals war er unterwegs, um Lebensmittel zu retten. Schnell wurde ihm jedoch klar, dass es ohne professionelle Fahrer und ein Lebensmittellager nicht funktionieren würde. Bei der Standortsuche wurde er in Alt-Treptow fündig, auch weil das Gebäude in der Moosdorfstraße über einen Lastenaufzug und eine Laderampe verfügt. Heute werden dort allerdings keine Ernteerzeugnisse mehr gelagert, hier befinden sich nur noch Büros.
Querfeld hat aktuell zehn Mitarbeiter. Das Sozialunternehmen hat sich inzwischen ein deutschlandweites Netzwerk aus Erzeugern und Logistikern aufgebaut, ist in mehreren Bundesländern aktiv und arbeitet sogar mit Betrieben in Spanien zusammen. Jede Woche werden acht bis zehn Tonnen Lebensmittel gerettet. Das entspreche etwa ein bis zwei Lkw-Ladungen im Monat, so Frederic Goldkorn. Früher belieferte Querfeld vor allem Kantinen und Großküchen. Mit der Corona-Krise musste das Unternehmen allerdings eine andere Richtung einschlagen.
Feldbotschaft eröffnen
Es wurde ein Konzept entwickelt, damit auch Privatpersonen frisches Bio-Obst und -Gemüse retten können. So ist es jetzt möglich, eine sogenannte Feldbotschaft zu eröffnen. Über die Internetseite von Querfeld können selbstorganisierte Abholstationen angemeldet werden, egal ob Privatperson, Ladeninhaber oder Kitabetreiber. Bürger aus der Nachbarschaft können dann krummes Obst und Gemüse dorthin bestellen und zu einer vereinbarten Zeit abholen. Etwa 100 solcher Feldbotschaften gibt es bereits in Berlin. „Unsere Businesskunden kaufen gleich kistenweise ein. Für Privatkunden bieten wir eine Mixtüte an“, erklärt der Geschäftsführer. Im September übergab das Start-up seine erste Spende an die Berliner Tafel mit insgesamt 250 Kilogramm gerettetem Obst und Gemüse in Bioqualität – um Bedürftige zu unterstützen und gleichzeitig ein Zeichen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu setzen.
Dass in Deutschland so viele Lebensmittel mit optischem Makel im Müll landen, liegt nach Ansicht von Frederic Goldkorn vor allem bei den großen Lebensmittelhändlern. So habe er am Anfang direkt mit Vertretern von Märkten gesprochen. Wirkliches Interesse daran, optisch nicht perfektes Obst und Gemüse ins Sortiment aufzunehmen, hätten diese nicht gehabt. „Die sagen: ‚Das nehmen die Kunden nicht an.‘ Ich sage: Das ist Quatsch!“, so Goldkorn. Er ist sicher, dass die Konsumenten solche Erzeugnisse nicht prinzipiell ablehnen. Dabei könnten Lebensmittelmärkte mit ihrer Marktmacht enorme Aufmerksamkeit erzeugen und Aufklärungsarbeit leisten.
Frederic Goldkorn wird sich jedenfalls auch in Zukunft mit Querfeld für die Lebensmittelrettung einsetzen. „Ich habe nicht studiert, um Gemüsehändler zu werden, sondern um ein strategisches Problem zu lösen“, sagt er.
Weitere Infos unter querfeld.bio.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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