Gewusst, nicht gefühlt
Bezirksamt stellt den ersten Teil eines Bildungsmonitorings für den Bezirk vor

v.l. Sandra Obermeyer, Ulrike Rockmann, Stephan von Dassel und Ephraim Gothe stellten das Bildungsmonitoring im Sprachförderzentrum in der Turmstraße 75 vor. | Foto: KEN
2Bilder
  • v.l. Sandra Obermeyer, Ulrike Rockmann, Stephan von Dassel und Ephraim Gothe stellten das Bildungsmonitoring im Sprachförderzentrum in der Turmstraße 75 vor.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Bisher war die Wahrheit nur „gefühlt“. Belastbare Zahlen, Daten, Fakten fehlten. Nun liegt für den Bezirk Mitte der erste Teil eines Bildungsmonitorings vor.

Es geht um Zugänge zu Bildung und um „Chancengerechtigkeit“ für alle Kinder in Mitte, um Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren und ihre Familien, um die Entwicklung eines alltagstauglichen Beobachtungsinstruments, mit dem das Bezirksamt frühzeitig Bildungsmängel feststellen und danach entsprechend handeln kann. Universitätsprofessorin Ulrike Rockmann von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, die gemeinsam mit Holger Leerhof vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg die Untersuchung durchgeführt hat, spricht von einem Frühwarnsystem für die bezirkliche Bildungspolitik.

Der erste Teil der Untersuchung liefert erste Befunde zum Thema Bildung im Bezirk Mitte. Mehr als 27.000 Schüler besuchen derzeit eine der 66 öffentlichen Schulen im Bezirk. 11,5 Prozent der Schulabgänger verlassen diese ohne Abschluss. 28 Prozent der Bevölkerung in Mitte hat keinen Berufsabschluss. „Im Ergebnis leben in Mitte überproportional viele bildungsbenachteiligte Personen und Bezieher von Transferleistungen“, sagt Ulrike Rockmann. Von fehlenden Abschlüssen sind häufiger Frauen als Männer betroffen.

Für Sandra Obermeyer (für Die Linke), Stadträtin für Jugend, Familie und Bürgerdienste, ist die Sprache der Schlüssel zum Bildungserfolg. Das beginnt in der Kindertagesstätte. Je länger der Besuch eines Kindes in der Kita dauert, desto besser ist seine Ausgangsposition für einen erfolgreichen schulischen Werdegang. Das konnte der Bezirk trotz umfassender Bildungs- und Sozialdaten bisher aber nur erahnen. Viele Daten waren dahingehend einfach nicht miteinander verknüpft und ausgewertet worden. So wird zwar zum Beispiel der Sprachstand der Kinder in Kindertagesstätten, bei der Einschulungsuntersuchung und in der Grundschule erhoben, aber belastbare Aussagen über die individuelle Sprachentwicklung konnten bislang nicht gemacht werden.

Die Untersuchung liefert sie, darunter die Feststellung: Migration hat einen Einfluss darauf, wie eine Schul- und Bildungskarriere verläuft. In 27,2 Prozent der Familien 2017 eingeschulter Kinder wird nur Deutsch gesprochen, in 56,4 Prozent der Familien Deutsch und mindestens eine Fremdsprache, in 16,4 Prozent der Familien gar kein Deutsch.

Der Anteil von Kitakindern nichtdeutscher Herkunft in Mitte betrug bei den Drei- bis Fünfjährigen 58 Prozent, bei den Zweijährigen 46 Prozent und bei den Einjährigen 34 Prozent. Dazu sagt Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne): „Ich möchte auch verstehen, warum fremdsprachige Familien ihre Kinder mehr als ein Jahr später den Kitas unseres Bezirks anvertrauen als Elternhäuser, in denen nur Deutsch gesprochen wird. Hier muss sich auch die Verwaltung hinterfragen, welche Barrieren zu Angeboten im Bezirk bestehen.“ Die häufigste Fremdsprache in Mitte ist laut Untersuchung Türkisch, das am häufigsten in den Untersuchungsräumen Wedding-Zentrum und Osloer Straße gesprochen wird, gefolgt von Arabisch, Englisch und Russisch.

Eine andere, für Sandra Obermeyer bedenkliche Erkenntnis aus der Untersuchung lautet: Vier Prozent der Kinder im Bezirk besuchen überhaupt keine Kita und sprechen bei der Einschulungsuntersuchung häufig kaum Deutsch. „Hier müssen wir unsere Anstrengungen für eine vorschulische Sprachförderung intensivieren“, sagt die Stadträtin. Ihr Bezirksamtskollege, Sozialstadtrat Ephraim Gothe (SPD), setzt auf „integrierte Stadtteilentwicklung“, auf die soziale Komponente.

Klar ist für Bürgermeister von Dassel: „Es müssen in Mitte mehr Kitaplätze geschaffen werden.“ Was „sehr schwierig“ sei, sagt Sandra Obermeyer. 1000 fehlen in den über 300 Einrichtungen im Bezirk. „Eine Herausforderung für die nächsten fünf Jahre“, sagt Ephraim Gothe.

Die Untersuchungsergebnisse finden sich im Detail auf http://asurl.de/13-p.

v.l. Sandra Obermeyer, Ulrike Rockmann, Stephan von Dassel und Ephraim Gothe stellten das Bildungsmonitoring im Sprachförderzentrum in der Turmstraße 75 vor. | Foto: KEN
Die Untersuchung in gedruckter Form. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 102× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 57× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 467× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.063× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.