Cannabis als Medizin
Bundesweiter Ärzte-Check: Patient:innen in Berlin haben geringe Chance auf ein Cannabis-Rezept

In der Schmerztherapie und bei anderen Erkrankungen, wie Schlafstörungen und Depressionen, darf Cannabis bereits seit 2017 verschrieben werden. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ärzte und Ärztinnen das auch tun? Wie das hat das Unternehmen Cantourage in eine Untersuchung von insgesamt 400 Allgemeinärzten und -ärztinnen aus den 20 größten deutschen Städten herausgefunden hat, ist die Wahrscheinlichkeit in Berlin sehr niedrig. In der Anfrage zur Cannabis-Behandlung wurde ein fiktiver Fall angegeben, in dem eine Patientin unter Schlafstörungen leidet. Von 20 angefragten Berliner Ärztinnen und Ärzten meldeten sich nur elf zurück, wovon nur ein Arzt eine Beratung überhaupt anbot. 

Kaum ein Arzt oder Ärztin bietet eine Therapie mit Cannabis an
Von den insgesamt 400 angefragten Arztpraxen gaben mit 185 Antworten nicht einmal die Hälfte überhaupt eine Rückmeldung – 158 von ihnen gaben sofort per Mail an, dass sie eine Behandlung mit Cannabis nicht anbieten. Nur 27 angefragte Arztpraxen stehen dem Thema offen gegenüber. Sie haben der fiktiven Patientin immerhin eine Beratung oder einen Termin angeboten bzw. nicht sofort abgesagt. In den Städten Dresden, Duisburg, Hamburg, Hannover, Stuttgart und Wuppertal bekam die Patientin keine einzige positive Antwort auf ihre Anfrage. In Hannover und Bochum gab es mit 14 und elf negativen Rückmeldungen die meisten Absagen von Mediziner:innen.

Die meisten positiven Antworten kamen aus Münster und Düsseldorf
Offen gegenüber einer Cannabis-Therapie zeigten sich jeweils vier Ärzte und Ärztinnen in Münster und Düsseldorf. Zwei der Mediziner:innen in Münster wiesen aber bereits in der Mail auf die Hürden einer Cannabis-Therapie hin: Ein Arzt sagte, die Apotheken-Preise seien mit Schwarzmarktpreisen nicht vergleichbar und würden bei durchschnittlich 10.000 Euro pro Patient und Jahr liegen, weshalb es bei Schlafstörungen für einen Antrag bei der Krankenkasse so gut wie keine Aussicht auf Erfolg ergebe. Der andere Arzt wies darauf hin, dass die Verschreibung mit medizinischem Cannabis bei der Krankenkasse beantragt werden müsse. In Düsseldorf teilte ein Arzt hingegen mit, dass Cannabis-Verschreibungen nur mit Privatrezepten möglich sei.

Cannabisblüten gäbe es bei spezialisierten Versandapotheken jedoch mittlerweile für deutlich unter zehn Euro pro Gramm und damit unterhalb des gängigen Schwarzmarktpreises, erklärt Philip Schetter, CEO von Cantourage. Außerdem könnten Ärzte und Ärztinnen Cannabis verschreiben, ohne dass die Krankenkasse einwilligt. Wie auch einer der Ärzte aus Düsseldorf vorgeschlagen habe, sei dies über ein Privatrezept möglich.

Falsche Aussagen von den Praxen
Ein Arzt aus Köln antwortete, dass eine Behandlung von Schlafstörungen mit medizinischem Cannabis nicht möglich und der Einsatz auf chronische Erkrankungen und Schmerzen beschränkt sei. Bei einer Praxis in Berlin hieß es, dass Cannabis als Schlafmittel nicht zugelassen sei. Eine weitere Praxis in der Hauptstadt informierte die Patientin, dass sie medizinisches Cannabis nur an Palliativpatient:innen verschreiben können. Eine Praxis aus Leipzig erklärte ebenfalls, dass für die Indikation unserer Patientin eine Cannabis-Therapie nicht zugelassen sei, weil das sehr streng reglementiert und geprüft werde.

Florian Wesemann, medizinischer Direktor der Telemedizin-Plattform Telecan°, kommentiert die Reaktionen der Ärzte und Ärztinnen: Dass Cannabis bei Schlafstörungen nicht eingesetzt werden kann, sei schlichtweg falsch. Cannabis könne indikationsoffen verschrieben werden und vor allem bei chronischen Schmerzen, Schlafstörungen, Migräne, ADHS, Depressionen und anderen Krankheiten helfen. Im Falle einer Schlafstörung könne es laut Wesemann für leichteres Einschlafen und längeres Durchschlafen sorgen.

Absagen als Resultat fehlendem Bewusstsein und Fachwissen

Vermehrt gaben Ärzte und Ärztinnen an, dass ihnen für eine Beratung spezifische Fortbildungen und Qualifikationen fehlen würden. Die meisten Praxen antworteten jedoch nur, dass sie weder Beratungen anbieten noch Cannabis verschreiben. Ein Arzt aus Frankfurt leitete die Patientin an cannabistherapie-spezialisierte Praxen weiter. Häufig wurde auf Krankenkassen, Psychiater:innen, Neurolog:innen oder Schmerztherapeut:innen verwiesen.

Die Untersuchung zeige, dass nicht alle Ärzte und Ärztinnen einer Cannabis-Therapie gegenüber aufgeschlossen seien, resümiert Schetter. Der CEO erhofft sich eine Reduzierung von Berührungsängsten unter Medizinern und Medizinerinnen, wenn medizinisches Cannabis im Zuge der Legalisierung aus dem Betäubungsmittelgesetz (BTMG) genommen werde, wie es der aktuelle Gesetzesentwurf vorsieht.

Autor:

Lisa Wagner aus Bezirk Mitte

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