Neukölln macht Schule: Ausstellung zeigt Geschichte der letzten 50 Jahre
Auf den ersten Blick wirkt es wenig spektakulär: Im großen Erdgeschoss-Raum des Museums Neukölln sind Stühle, Bänke, Sessel und Regale zu neun kleinen Gruppen angeordnet – in der Mitte viel Platz. Doch der Eindruck täuscht. Tatsächlich gibt es in der Ausstellung „Neukölln macht Schule 1968-2018“ jede Menge zu lernen und zu entdecken.
Die Sitzgruppen symbolisieren Klassen- und Lehrerzimmer, Kantinen und Spielkreise von Neuköllner Schulen. An allen Stationen gibt es iPads, an denen viel über die Einrichtungen, ihre Konzepte, Ideen oder auch Schwierigkeiten zu erfahren ist. Ergänzt wird das Ganze von Objekten in den Regalen, seien es Lernspiele für die Jüngsten, Aschenbecher aus Zeiten, als im Lehrerzimmer noch gequalmt werden durfte, Italienischbüchern oder einem physikalischen Versuchsaufbau. Anfassen ist ausdrücklich erlaubt!
Mit von der Partei ist zum Beispiel die Walter-Gropius-Schule, die 1968 als erste Gesamtschule in ganz Deutschland gegründet wurde. Oder die Rudower Clay-Schule. „Aufgrund vieler Untersuchungen steht eindeutig fest, dass Schüler bis zu sieben Stunden ihrer Freizeit Pop- und Rockmuik hören“, schrieb Klaus Lüders 1980 unter der Überschrift „Verbieten, konsumieren oder kritisch nutzen?“ In Rudow entschieden sich die Lehrer für eine neue Form des Musikunterrichts, und folgerichtig darf der geneigte Ausstellungsbesucher Gitarre, Bass und Bongos ausprobieren.
So geht der Rundgang weiter. Wer mag, kann in der Evangelischen Schule in Büchern blättern, mit denen die monatlichen Andachten gestaltet werden oder im Albert-Einstein-Gymnasium erfahren, wie es sich in einer Europaschule lernt. In der Nord-Neuköllner Karlsgarten-Grundschule rufen Eltern andere Eltern dazu auf, ihre Kinder hierher zu schicken – und nicht in vermeintlich bessere Einrichtungen mit niedrigerem Migranten-Anteil.
Neben den neun kleinen Abteilungen gibt es eine Wand mit persönlichen Erinnerungen ehemaliger Schülerinnen und Schüler. Auch hier erzählt ein iPad die Geschichten dazu. Da finden sich gekrakelte Wünsche von Erstklässlern, Bierdeckel von Jubiläumstreffen oder ein „Stoppt-Strauß-Sticker“. Den heftete sich die Britzer Gymnasiastin Sabine im Jahr 1980 an die Jacke. Damit wollte sie nicht nur gegen die Kanzlerkandidatur des CSU-Chefs protestieren, sondern auch Solidarität mit einer bayrischen Altersgenossin zeigen. Die war wegen des gleichen Ansteckers von der Schule geflogen. In Britz störte sich allerdings niemand an der Meinungsäußerung. Eine wichtige Reaktion gab es dennoch. Ein Mitschüler sprach Sabine an, ihm gefiel ihre Aktion. Und er gefiel ihr. Später wurde er ihr Ehemann.
Die Ausstellung ist bis zum Ende des Jahres im Museum Neukölln, Alt-Britz 81, zu sehen. Geöffnet ist jeden Tag von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Informationen gibt es unter Telefon: 627 27 77 16 und info@museum-neukoelln.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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