Kiez-Kompass
Gedächtniskirche – weltbekannt, vom Kiez geliebt

Attraktion, Mahnmal, Gotteshaus - die Gedächtniskirche am Breitscheidplatz fasziniert seit mehr als einem Jahrhundert die Menschen.  | Foto: Julia Kaelberlah
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  • Attraktion, Mahnmal, Gotteshaus - die Gedächtniskirche am Breitscheidplatz fasziniert seit mehr als einem Jahrhundert die Menschen.
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Mahnmal, Blickfang, Touristenattraktion, Wahrzeichen – das alles ist die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitscheidplatz. Aber sie ist vor allem auch Ort der Besinnung und Zusammenkunft für derzeit knapp 2700 Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde.

Die Kirche ist ein für sich schon faszinierender, architektonisch herausragender Kirchenbau der Moderne, 1961 eingeweiht, der doch seine wirkliche Einmaligkeit erst aus dem spannungsvollen Nebeneinander mit der Turmruine gewinnt, die von den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges übrig geblieben ist und bewusst nicht instandgesesetzt wurde. "Der hohle Zahn", wie das Mahnmal von den Berlinern liebevoll genannt wird, ist wohl auch der Hauptgrund dafür, warum jährlich 1,3 Millionen Besucher aus aller Welt die Kirche besuchen. Das Gotteshaus ist weltweit so bekannt, dass es keine "traurige Berühmtheit" erlangen musste, als sich Ende 2016 am Weihnachtsmarkt zu seinen Füßen das schreckliche Attentat vom Breitscheidplatz ereignete. Vielmehr wusste die Welt sofort, an welch prominenter Stelle der Terrorakt Berlin getroffen hat.

Hier, inmitten der pulsierenden City West, ist es der Gegensatz, der fasziniert. Draußen der tägliche Alltagstrubel, drinnen Menschen von überallher, die hier einen Ort der Stille, des Innehaltens und Zur-Ruhe-Kommens finden, ganz persönlich am Kerzenbaum oder in der versammelten Gottesdienstgemeinde, bei Liturgie und Predigt.

Der Königliche Baurat Franz Schwechten erbaute die ursprüngliche Kirche, deren Grundstein am 22. März 1891 gelegt wurde, pünktlich zum Geburtstag Kaiser Wilhelms I. Er gestaltete es als neoromanischen Bau mit gotischen Elementen. Namhafte Künstler schufen die Mosaike, Reliefs und Skulpturen. Im April 1945 wurde die Kirche bis zur Ruine ausgebombt, die Einweihung des Neubaus fand am 17. Dezember 1961 statt. Das Foyer und die Gemeindekapelle wurden 1963 fertig. Die Höhe des alten Turms betrug vor der Zerstörung 113 Meter, heute ragt der "hohle Zahn" noch 71 Meter in den Himmel. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hatte ursprünglich fünf Glocken. Die größte wurde in Deutschland an Größe und Schwere (13 800 Kilogramm) nur von der Kölner Domglocke übertroffen. Sie trug den Namen "Königin Luise – Kaiser Wilhelm I." Um das gesamte Werk zum Läuten zu bringen, waren 20 Glöckner erforderlich. Ab 1900 wurde ein elektrisches Läutwerk eingesetzt.

Um die Kirche zu "betreiben" ist viel Engagement und ehrenamtliche Mitarbeit nötig, wie Julia Kaelberlah, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit, mitteilt. Finanziell stoße die Gemeindeverwaltung oft an ihre Grenzen: täglich von früh bis spät geöffnet, Energie- und Stromkosten, Personal. "Die Landeskirche gibt einen Anteil dazu, doch längst nicht in dem Maße, wie hier gesamtkirchliche Aufgaben wahrgenommen werden", so Kaelberlah. Im Wesentlichen müsse die Gemeinde selber wirtschaften, aus ihren ganz normal nach der Mitgliederzahl bemessenen Kirchensteueranteilen, aus dem, was die Besucher in die Klingelbeutel und Opferstöcke einlegen, und aus dem, was sie aus Spenden erhalte.

Gerade wird das Podium der Gedächtniskirche inklusive des bunten Mosaiks saniert. Rund 2,4 Millionen Euro wird das kosten. „Die enormen Kostensteigerungen im Bausektor haben uns leider voll erwischt“, sagt Pfarrer Martin Germer, zusammen mit Pfarrerin Katharina Stifel und Pfarrerin Dorothea Strauß einer von drei Geistlichen der Gemeinde. „So fehlen uns noch mehrere 100 000 Euro – trotz Förderung durch Lotto, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Landesdenkmalamt und Bund, für die wir sehr dankbar sind. Aber wir setzen darauf, dass das neue Erscheinungsbild viele zum Spenden animiert.“ Seit vergangener Woche ist das Mosaik aus Tausenden unterschiedlich großen roten und dunkelgrauen Terrakotta- und Betonscheiben fertig.

Wie sehr die Gemeindemitglieder ihrer Kirche verbunden sind, zeigen sie durch ihrer Unterstützung. Mehr als 300 Spender haben bisher eine Podium-Patenschaft übernommen. Mit ihrer Spende von 50 Euro tragen sie die Kosten für jeweils mehrere Tonscheiben, erhalten dafür eine Urkunde und werden auf einem Bildschirm in der Gedenkhalle der Kirche namentlich gewürdigt. 19 Menschen haben 1000 oder 2000 Euro für die großen Betonplatten zwischen den Tonscheiben gespendet. Ihre Namen werden in die Wasserablaufgitter im Podium eingraviert. Die 13 Spender, die mit je 5000 Euro die Sanierung von fünf Quadratmetern Podium ermöglichen, erhalten am Schluss eine eigene Tafel.

Bemerkenswert: Seit 2016 ist in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche die City-Seelsorge verortet. Im Zentrum der Arbeit, für die Pfarrerin Dorothea Strauß zuständig ist, steht die Entwicklung eines zeitgemäßen Seelsorge-Konzepts für die Besucher der Kirche, die Gestaltung der Friedensgebete am Mittag und der abendlichen Gottesdienste. An jedem ersten Dienstag im Monat bieten seelsorgerisch und psychologisch geschulte ehrenamtliche Mitarbeiter im Foyer der Kirche psychologische Einzelberatung und Hilfe in schwierigen Lebenssituationen an. Von 17 bis 19 Uhr stehen sie für Gespräche – auch anonym – zur Verfügung.

Ein Besuch ist die Kirche in jedem Fall wert, einfach nur so oder im Speziellen, wenn der Bach-Chor singt, das Internationale Orgelimprovisationsfestival stattfindet oder die Jazz-Reihe "In Spirit" in die nächste Runde geht. Für ihre Kirchenmusik-Events ist die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche nämlich ebenfalls berühmt.

Wer sich der evangelischen Gemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche anschließen möchte, kann sich an Pfarrer Manfred Germer unter der 30 36 28 68 oder E-Mail germer@gedaechtniskirche-berlin.de wenden. Weitere Informationen gibt es im Netz unter www.gedaechtniskirche-berlin.de/kirchengemeinde. Attraktion, Mahnmal, Gotteshaus: Die Gedächtniskirche am Breitscheidplatz fasziniert seit mehr als einem Jahrhundert die Menschen.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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