Sebastiao Salgados packende Naturaufnahmen in der C/O Berlin

Foto: Schubert
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Charlottenburg. Aus dem Amazonas-Dschungel ins Polarmeer. Von afrikanischen Steppenbewohnern hin zu Menschen im ewigen Eis - rund um den Globus faszinierende Spielarten des Lebens. Im Amerikahaus erfährt das Publikum ab sofort, welcher Arbeit der Fotograf Sebastiao Salgado seinen Ruhm verdankt. Und im Kielwasser dieser "Genesis" warten zwei weitere tiefgründige Präsentationen.

Er geht nicht einfach auf Reisen. Er verlässt uns. Der Flughafen am Fernreiseziel ist für ihn kein weiterer Ankunftsort - es ist der Checkout-Schalter der Zivilisation. Denn die Sehnsucht nach den Sensationen der Schöpfung führen Sebastiao Salgado in Regenwälder und quer durch Wüsten. Sie lässt ihn Temperaturstürze von 50 Grad ertragen, wenn er einige Tage später in polaren Sphären von einem Motiv zum nächsten stiefelt.

Und die Bildsprache, seinen unheimlichen Sinn für die Geometrie im natürlichen Zufall, nimmt der 1944 geborene Brasilianer stets mit - wie die Kamera am Schultergurt. In aller Breite hat C/O Berlin im Amerikahaus diesem preisgekrönten Meister nun die Hälfte ihrer Räume gewidmet. Peinlich berührt ließ der Mann mit den buschigen Augenbrauen zur Eröffnung ein Blitzlichtgewitter über sich ergehen, wie man es sonst von der Berlinale kennt. Und dann strömten schon am Eröffnungsabend mehre Tausend Besucher durch die Abteilungen seiner Ausstellung mit dem Titel "Genesis". Eine fotografische Enzyklopädie, die leicht sprachlos macht. Da treiben wilde Krokodile wie von Geisterhand geordnet in die ideale Position. Man betritt eine urwüchsige Fremde der Dschungellichtungen, Canyons und Gletscher.

Da ergehen sich indianische Ureinwohner in ihren Riten, blicken Buschmänner aus gewaltigen Rahmen zurück auf uns zivilisierte Betrachter, so als sei das Bild ein Fenster. Seelöwen, denen Sebastiao beinahe auf den Flossen stand, wenden sich in tierischem Erstaunen den Betrachtern entgegen. Bäuchlings, mit abgespreizten Stummelflügeln, schlittern Pinguine aufs Eismeer zu, als wären sie Figuren in einem Trickfilm. Doch es sind keine Tricks. Es sind die richtigen Momente.

"Genesis", sagt der Künstler, "war für mich der Begriff, um den Anfang der Natur zu verstehen. Und die Zerstörung ihrer Landschaften durch die Menschheit. Aber es gibt sie noch, die unberührte Natur. 46 Prozent des Planeten zählen noch zu diesen Landschaften."

Das Tier wird in Sebastiaos Bildern sichtbar als organischer Bestandteil seiner Umgebung. Und der Mensch, er ist in diesem Organismus gleichfalls verwachsen. Wenn Jünglinge im Amazonasgebiet am Grunde eines Baches ruhen, nur die Gesichter über dem Glitzern des Quells. Wenn Tanzzeremonien im Wüstenstaub versinken. Wenn Eskimos den Dauerfrost nicht zu spüren scheinen.

Daneben werden es die beiden anderen Präsentationen schwer haben. Doch C/O Chef Stephan Erfurt und Kurator Felix Hoffmann ziehen ganz bewusst Parallelen von Sebastiao zur Schau "Distance and Desire" der "Walther Collection". Auch dieser vielfältig bebilderte Rundgang durch die afrikanische Geschichte lässt unsere Entfremdung vom Ursprünglichen zu Tage treten.

Fremd ist uns ebenso geworden, was Emanuel Mathias und Sabine Weier vor Augen führen. Als geförderte Talente der C/O-Stiftung stöberten sie in den DDR-Brigadebüchern einer Leipziger Spinnerei und überschrieben ihre Auslese mit "Kunst, Freiheit und Lebensfreude".

Die Freude am Leben - sie wird im Amerikahaus dreifach erfahrbar: In ihrer Urgewalt, in der kulturellen Verfremdung. Und, ja, selbst in einer sozialistischen Fabrik.

Die neuen Ausstellungen in der C/O-Galerie im Amerika Haus, Hardenbergstraße 22, laufen noch bis zum 16. August. Öffnungszeiten: täglich 11-20 Uhr; Eintritt 10, ermäßigt 5 Euro.
Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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