ICC: Der Riese muss sich rechnen / Sanierung beginnt nicht vor 2018
Westend. Streit um brachliegendes Kongresszentrum: Im Rahmen der Berliner Wirtschaftsgespräche ließ der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (AIV) Experten sprechen. Zu hören waren Unverständnis über die verschleppte Sanierung, Vorschläge zur Neunutzung – und die Warnung, den Riesen zu zerstückeln.
Fast eine Milliarde Mark sind in ihm verbaut, die Kapazität von 20 000 Plätzen ist bis heute kaum zu schlagen, die Liste der Auszeichnungen beachtlich. Aber das Internationale Congress Centrum ICC steckt weiterhin im politisch verordneten Schlafzustand. Selbst das kostet Steuerzahler 1,4 Millionen Euro im Jahr. Und die Inbetriebnahme als zeitweilige Notunterkunft für bis zu 1000 Flüchtlingen braucht noch drei Wochen Vorarbeit.
Das ICC steckt voller Superlative. Der Grund, was es so schwierig macht, dieses Wahrzeichen sinnvoll mit Leben zu füllen. Wirtschaftsstaatssekretär Henner Bunde skizzierte bei der Podiumsdiskussion des Architekten- und Ingenieur-Vereins noch einmal, wie die Erweckung des schlafenden Riesen ab 2018 gelingen soll:
nämlich abschnittweise. 10 000 Quadratmeter ertüchtigt der Senat für den Kongressbetrieb – den Rest müssen private Geldgeber schultern, weil die staatlichen Leistungen bei 200 Millionen Euro gedeckelt sind. Um eine Nutzung durch Einzelhandel und Hotellerie wird man also nicht ganz herumkommen. „Wirtschaftlichkeit spielte in den 70er-Jahren keine Rolle. Heute ist das anders“, betonte Henner die Notwendigkeit, schwarze Zahlen zu schreiben. Was durch den Kongessbetrieb allein offenbar nicht funktioniert.
Dass man eine Umwandlung zum „Shopping-Ufo“ mit über 45 000 Quadratmetern Handelsfläche verhindern konnte, sieht Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) als Erfolg an: „Es hat sich Kannibalismus abgezeichnet – zum Leidwesen von bestehenden Strukturen in der Reichsstraße und der Wilmersdorfer Straße. Wir sind froh, dass solche Szenarien vom Tisch sind.“ Gegen eine „behutsame Weiterentwicklung“ mit Hotelnutzung will sich der Bezirk jedenfalls nicht verschließen.
Kongressgäste direkt im ICC zu beherbergen, das befürwortete niemand so laut wie der Berliner Dehoga-Präsident Willy Weiland. „Neben dem Turnschuhtouristen ist in dieser Stadt auch der Geschäftstourist gefragt. Denn er gibt das Doppelte bis Dreifache aus“, begründet Weiland den Wert dieser Idee. Ein Effekt, den Melanie Bähr von der IHK bestätigen kann. Sie verwies auf steuerliche Mehreinnahmen von 33 Millionen Euro durch Kongressgäste. Die kann der neue City Cube derzeit ausreichend bedienen, versicherte Emanuel Höger von der Messe Berlin. Er verteidigte die Entscheidung, das ICC zugunsten des Cubes stillzulegen: „Er ist kein Stiefkind, sondern wird von den Kunden sehr gut gebucht.“
Mag der neue Würfel Geld in die Kassen spülen – das ICC kann dafür als Gesamtkunstwerk gelten, meint der Architekt Uwe Hameyer. Das große Ganze bei der Sanierung in kleine Stücke zu portionieren, „das geht überhaupt nicht“, warnt er vor Bundes Plan. Es handle sich beim ICC um einen Monolithen, unteilbar wie die Philharmonie. Da das Center einer riesigen Maschine gleicht, ist es aus Hameyers Sicht logisch, es als Schaufenster des Ingenieurwesens auszubauen. So könne der Bau repräsentativ dastehen wie die kunstvollen Firmenzentralen von Google und Apple in den USA.
Henner Bunde wiederum ließ durchblicken, dass Stilfragen nur eine Nebenrolle spielen werden. Zu keiner Zeit sei der Betrieb des ICC ohne Zuschüsse aus öffentlichen Kassen möglich gewesen. Wenn man Gesamtkosten von 450 Millionen Euro schultert, müsse wenigstens eines gesichert sein: dass sich der Riese rechnet. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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