Neues Programm hilft beim Neuanfang misshandelter Frauen
Charlottenburg-Wilmersdorf. Geflohen vor prügelnden Männern, aufgefangen in Frauenhäusern – und dann? „NeuRaum“ heißt ein neues Projekt für Gewaltopfer. Es bietet Frauen im ganzen Stadtgebiet anonyme Wohnungen zur Zwischenmiete. Und den Beistand, den sie brauchen, auf dem Weg zur eigenen Bleibe.
Wenn der neue Schlüssel im Schloss einrastet, wenn hinter der Tür ein Gefühl von Geborgenheit wartet, wenn die Peinigung aus dem Bewusstsein verschwindet, die Demütigung der Schläge von einem Mann, den sie liebten, dann sind die Frauen auf dem besten Weg. Dann kehrt das Selbstvertrauen zurück, die Zuversicht, auf eigene Faust zu leben, ein neues Glück zu finden. Eine endgültige Wohnung.
Bis dahin heißt das Zuhause „NeuRaum.“ Und es funktioniert so: Als Bewohnerinnen eines der sechs Berliner Frauenhäuser erhalten misshandelte Frauen das Anrecht, zunächst für sechs Monate eine von 22 Übergangswohnungen zu beziehen, unterstützt von der Caritas, dem Berliner Senat und der Deutsche Wohnen als wichtigstem Träger. Die Mieten? Sie sind so niedrig, dass auch das Jobcenter zur Not bezahlt. Dafür steigen die Zuwendung der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen durch das Projekt dieses Jahr um 600 000 auf nun 7,4 Millionen Euro.
Und spätestens nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen zu Silvester wird niemand zweifeln, dass hier Geld in die richtigen Kanäle fließt. „Erschütternd“ nennt Senatorin Dilek Kolat (SPD) die Taten am Kölner Hauptbahnhof und vergleichbare Situationen im ganzen Bundesgebiet – „dieses Thema ist jetzt aktueller denn je.“ Bei der häuslichen Gewalt kommt aus ihrer Sicht eine weitere Zuspitzung hinzu: „Frauen werden dort Opfer, wo sie sich eigentlich sicher fühlen müssten.“
Dass man handeln sollte, zeigen Zahlen. 1400 Berliner Frauen und 1000 Kinder suchten 2014 Zuflucht vor gewalttätigen Männern. Zugleich wuchs die durchschnittliche Verweildauer in Frauenhäusern von drei Monaten auf ein Jahr. „Ein Vorhaben wie NeuRaum macht mehr Sinn als die Plätze in Frauenhäusern aufzustocken“, meint Kolat. Was es brauche, sei eine „Zwischenstufe.“ Ein Sprungbrett von der Notbehausung zum völlig selbständigen Zuhause. Eine Schutzzone vor den Härten des Wohnungsmarkts.
Und erfahrene Sozialpädagoginnen geben ihr recht. „Es kann zu neuen Traumatisierungen führen“, berichtet Ina von Lengen über die Folge, wenn es nicht gelingt, die erste Auffangstation wieder zügig zu verlassen. Inwiefern das ursprüngliche Trauma – die Misshandlung – beim Verlassen des Frauenhauses nachwirkt, sei von Fall zu Fall verschieden. „Jede Frau reagiert anders“, weiß von Lengen. Manche finden bald zur alten Stärke zurück, andere bleiben auch bei „NeuRaum“ in psychologischer Behandlung.
Aber dass sie dabei nicht mehr in der Wohngemeinschaftsatmosphäre eines Frauenhauses weilen, sieht Caritas-Regionalleiter Rolf Göpel als wichtigen Schritt zur Heilung. Manchmal ist es das letzte Mosaikstück – „sie wachen auf. Und wissen: das ist meine Wohnung.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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