Frauenladen verhilft zum Schulabschluss
Immer mehr Jugendliche verlassen die Schule ohne Abschluss. Das sagt Antje Kaczmarek, Lehrerin im Schulprojekt Frauenladen. Bei ihr und ihren drei Kolleginnen kann Versäumtes nachgeholt werden. Sie leisten eine wichtige, anspruchsvolle Arbeit.
Ein Dutzend junger Frauen sitzt im Klassenzimmer in der Sophie-Charlotten-Straße 31 und büffelt für ihre Berufsbildungsreife, früher als Hauptschulabschluss bekannt. Sie fühlen sich nach eigenen Angaben gut aufgehoben im Frauenladen und wissen, dass der nachgeholte Schulabschluss nur der erste Schluck aus der Pulle sein kann.
Wenn sich die Mühe gelohnt hat
Zwei von ihnen formulieren klar ihre Ziele: Eine möchte später eine Ausbildung als Erzieherin absolvieren, die andere ebenfalls im sozialen Bereich arbeiten, gern mit behinderten Kindern. Wenn sie das schaffen, dann wissen Pädagogin Antje Kaczmarek – beim Träger Arbeit, Bildung und Wohnen (abw) auch für das Fundraising und die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich – und ihre drei Mitstreiterinnen, dass sie alles richtig gemacht haben und sich alle Mühe gelohnt hat.
Denn sowohl der Weg ins Klassenzimmer als auch der zum Abschluss sind für die Schülerinnen steiniger und die Arbeit für die Lehrerinnen komplexer denn je. Früher kam die Klientel häufig wegen Drogenmissbrauchs vom rechten Bildungsweg ab, heute sind die Gründe mehr und mehr Mobbing mit Schuleschwänzen als Folge, häusliche Gewalt, Kriminalität, psychische Erkrankungen wie Depression und frühe Schwangerschaften. "Auch Zwangsverheiratungen kommen vor und stark angestiegen sind die Überschuldung und die Zahl der Frauen, gleich mit mehreren dieser Probleme zu uns kommen." Erschwerend sei, dass viele der Mädchen aus bildungsfernen Familien stammen. "Das Niveau ist teilweise erschreckend, zunehmend auch von Kindern deutscher Familien. In manchen Fällen haben wir ein Jahr Zeit, um ihnen den Stoff von neun Jahren Schule beizubringen. Das ist schon sportlich."
Mit viel Engagement dabei
Im Frauenladen geht es aber um weit mehr, als Mädchen fit für die externe Prüfung am Ende des Kurses zu machen. "50 Prozent ist hier Sozialarbeit, das ist auch in Ordnung, wir sind schließlich eine soziale Einrichtung. Aber es braucht schon viel Geduld, Toleranz, das konsequente Durchsetzen von Regeln und ganz viel Beziehungsarbeit." Bei allem Zwicken: Für Kacmarek überwiegen die positiven Seiten ihrer Arbeit: "Wir sind vier Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen und mit viel Spaß und Herzblut dieser wichtigen Arbeit nachgehen. Und man bekommt ja auch etwas zurück." Zum Beispiel, wenn eine der Frauen nach erfolgreichem Durchlaufen des Kurses, einer Berufsausbildung oder sogar eines abgeschlossenen Studiums bei einem Tag der offenen Tür hereinschneit, sich bedankt und sagt: "Sie waren ja schon streng mit mir, aber ich habe bei Ihnen so viel gelernt."
Ihren Unterricht bereichert das Pädagoginnen-Quartett mit Exkursionen und Ausflügen, zum Reichstag, ins Kanzleramt oder zum Schloss Bellevue etwa. Zusammen mit ihren Klassen besteigen sie den Rathausturm, besuchen Museen, den Botanischen Garten, backen zu Weihnachten Plätzchen, organisieren Workshops zum Thema Zeitmanagement und kümmern sich um die Berufsorientierung. "Wir versuchen, von allen Seiten an die Mädchen heranzukommen und gemeinsam mit ihnen ihre Probleme anzupacken", erklärt Kaczmarek. Gelinge den jungen Frauen der Abschluss, seien sie unheimlich stolz darauf und sofort mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein ausgestattet.
Finanziert wird der Frauenladen vom Senat und dem Europäischen Sozialfonds. Ein paar Häuser weiter, in der Sophie-Charlotten-Straße 83A, laufen zwei weitere Schulprojekte der abw: "Nachschlag" und Berufliche Bildung.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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