Volksschauspielerin Agnes Kraus wohnte einst im Hans-Loch-Viertel
Als der Kiez rund um die Sewanstraße noch Hans-Loch-Viertel hieß – in den 1970er- und 80er-Jahren – sah man die bekannte Schauspielerin oft dort spazieren. Ohne Sonnenbrille oder sonstigen Mummenschanz. Agnes Kraus (1911-1995) kam in natura nicht anders daher, als in ihren Rollen. 20 Jahre lang lebte sie mitten im Friedrichsfelder Wohngebiet.
In Erinnerung geblieben ist Agnes Kraus vor allem durch Fernsehkomödien, in denen sie leicht verschrobene, burschikos-dickköpfige Frauen spielte: Schwester Agnes im gleichnamigen Film, Mutter Klucke in „Florentiner 73“, Tante Alma in einem Dorftierarzt-Dreiteiler. Markenzeichen der Volksschauspielerin war das sprichwörtliche Berliner Herz mit Schnauze, gepaart mit einem unvergleichlichen, konsequent nörgelnden Tonfall. Eine hochdeutsch sprechende Agnes Kraus – undenkbar.
Geboren wurde Irmgard Agnes Friederike Krause 1911 in Zehlendorf. Ihre Karriere nahm am Berliner Ensemble der 1950er-Jahre Fahrt auf. Bertolt Brecht hatte die Schauspielerin in Potsdam auf der Bühne gesehen und an sein Theater geholt. Mehr als 20 Jahre gehörte Agnes Kraus, wie sie sich schließlich nannte, dem Ensemble an. Eine ihrer Lieblingsrollen war die der Witwe Queck aus Brechts Stück „Der Brotladen“, das eine Geschichte aus dem Berliner Arbeiterleben der 1920er-Jahre erzählt.
1963 spielte Agnes Kraus im Nachkriegsfilm „Karbid und Sauerampfer“ mit, weitere DEFA-Rollen folgten. Dazu gesellten sich Kurzauftritte in Krimis, Märchenfilmen, im Musical.
So richtig populär wurde Agnes Kraus aber erst in ihren späten Jahren – dank vieler Rollen in heiteren Fernsehproduktionen. In etlichen TV-Filmen gab sie in Hauptrollen die sympathisch-schrullige „Alte“. Neben Winfried Glatzeder war sie 1972 im DEFA-Hit „Der Mann, der nach der Oma kam“ zu sehen. Dreimal zeigte sie an der Seite von Publikumsliebling Rolf Herricht ihr komisches Talent. Besonders als beherzte Schwester Agnes sorgte sie für große Heiterkeit bei den Fernsehzuschauern, eine Portion Sozialkritik an den Verhältnissen in der DDR inklusive.
Mehr als zwei Jahrzehnte, von 1972 bis zu ihrem Tod 1995, wohnte Agnes Kraus mit ihrer Schwester in der Mellenseestraße in Friedrichsfelde. Auf den Wegen entlang des schmalen Kraatz-Tränke-Grabens, der sich durchs Wohngebiet zieht, ging sie gern Luft schnappen und war dann kaum von den Figuren ihrer Fernsehfilme zu unterscheiden. Geduldig harrte sie im Fischladen in der Schlange aus, bis sie an der Reihe war und schlenderte schließlich mit ein paar Räuchermakrelen im Einkaufsnetz nach Hause.
Zur Erinnerung an die Volksschauspielerin steht seit dem 16. Februar 2011, ihrem 100. Geburtstag, ein Gedenkstein nahe der KultSchule in der Sewanstraße. Die hieß zu jener Zeit noch Hans-Loch-Straße, benannt nach einem ostdeutschen Politiker der Nachkriegsjahre. 1992 wurde das Straßengeflecht umgetauft. Seitdem tragen die Adressen des ehemaligen Hans-Loch-Viertels noch mehr Gewässernamen: Neben der Dolgensee- und Mellenseestraße, die früher schon so hießen, gibt es nun auch die Eriesee-, Michigansee-, Huronensee-, Ontariosee- und Sewanstraße.
Agnes Kraus fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Waldfriedhof in Kleinmachnow, wo auch ihre Familie begraben ist. Wer sie nicht kennt, schaltet am besten am Wochenende morgens oder an Feiertagen die Fernsehsender RBB oder MDR ein. Dass „die Kraus“ dort irgendwann liebenswert berlinernd auf dem Bildschirm erscheint, ist sehr wahrscheinlich.
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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