Erst Spekulationsobjekt, jetzt auf Abschussliste
Bürgerinitiative will Abriss des SEZ verhindern

Die Plakate und Banner sprechen für sich: Das SEZ soll bleiben.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Das SEZ, einst ein Vorzeigeobjekt, liegt seit Jahren brach und soll (nun doch) abgerissen werden. Die Initiative „SEZ für alle!“ will das verhindern. Ihre Argumente: Das Bauwerk ist einzigartig, und Friedrichshain braucht eine Schwimmhalle.

Ende vergangenen Jahres hat der Bundesgerichtshof entschieden: Berlin bekommt das SEZ zurück. Für viele Berliner eine tolle Nachricht. Das über Jahre vernachlässigte Sport- und Erholungszentrum an der Landsberger Allee könnte nun endlich saniert werden. Doch stattdessen droht ihm der Abriss. Die Bürgerinitiative „SEZ für alle!“ will das verhindern und hat mit viel Musik und einer bunten Demo-Parade rund ums SEZ darauf aufmerksam gemacht.

"Das SEZ ist ein ganz besonderes Gebäude“, sagt Mitinitiatorin Bettina Wolf, die in der Nachbarschaft wohnt. „Es hat großes Potenzial, das muss genutzt werden.“ Für eine Schwimmhalle zum Beispiel. Oder ein Freizeitzentrum. „Das fehlt in Friedrichshain.“ Mitstreiter Carsten Joost sieht das genauso. „Das SEZ ist keine Ruine. Es hat eine solide Bausubstanz und kann saniert werden.“ In jeder anderen Stadt würde so ein architektonisches Meisterwerk unter Denkmalschutz stehen. „Nur in Berlin nicht.“ Selbst die Architektenkammer Berlin fordert in einem offenen Brief den Erhalt des SEZ. Doch der Senat will das frühere DDR-Spaßbad bis auf einige „identitätsstiftende Merkmale“ abreißen und auf dem über fünf Hektar großen Areal 500 Wohnungen und eine Schule bauen. Auch Gewerbe, Einzelhandel und Sport-und Freizeitanlagen wären dort nach dem Bebauungsplan von 2018 erlaubt. „Berlin braucht Wohnungen, keine Frage“, sagt Bettina Wolf. „Aber wir brauchen auch Angebote, die diese Stadt lebenswert machen. Und von denen gibt es hier in der Ecke nicht so viele.“ Die Schule wiederum ist auf einem hinteren Grundstücksteil an der Langenbeckstraße geplant. „Dafür muss man das SEZ nicht abreißen“, gibt Susanne Lorenz von der Initiative zu Bedenken. "Ein Abriss ist außerdem teurer als eine Sanierung."

Staatlich erlaubte Verwahrlosung: Heute ist das SEZ hinterm Bauzaun noch Location für Filmdrehs, Green Yoga und einen Club.  | Foto:  Ulrike Kiefert
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Die Bürgerinitiative, zu der Anwohner, Architekten, Bauingenieure, Studenten, „Gemeingut in BürgerInnenhand“ und „Architects 4 Future“ gehören, sammelt gerade Unterschriften für eine Petition. Die fordert den Senat auf, das SEZ nicht abzureißen, sondern zu sanieren und den Berlinern wieder als öffentliche Sport- und Freizeitstätte zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht die erste Aktion dieser Art. „Wir hatten bereits im März 10 000 Unterschriften an Christian Gaebler übergeben“, berichtet Bettina Wolf. Bis heute habe der Stadtentwicklungssenator nicht darauf reagiert.

Den historischen Ort erhalten, das will auch ein früherer Statiker der West-Baufirma Hochtief. „Die DDR hat hier höchste Technik für ihre Bevölkerung verbaut. So ein Bauwerk gab es damals nirgends“, sagt der Mann, der seinen Namen jedoch nicht in der Zeitung lesen will. „Ich verstehe nicht, wie man so etwas abreißen will.“ Tatsächlich war das SEZ ein Gemeinschaftsprojekt von Ost und West und das mitten im Kalten Krieg. Gebaut wurde das moderne Sportzentrum zwischen 1978 und 1981 nach Plänen eines schwedischen Architektenteams von der „Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin“ (Ost). Von Hochtief holte man sich fachmännischen Rat. Im SEZ gab es ein großes Schwimm- und Spaßbad mit Berlins erstem Wellenbad, eine Eis- und Rollschuhlaufbahn, ein Fitnessstudio, eine Bowlinganlage mit 16 Bahnen, eine Tischtennishalle, Gymnastik- und Ballettsäle, eine Kampfsportschule und einen Kindersportgarten, eine sportmedizinische Praxis und mehrere multifunktionale Veranstaltungsräume für Sportevents, Varieté, Kabarett, Kleintheater, Lesungen, Unterhaltungsshows, Tanz, Konzerte und diverse Großveranstaltungen. Besonders beliebt war das „SEZ-Komplett“ mit 15 000 Besuchern vier Mal im Jahr. In der großen Sporthalle wurde auch die DDR-Fitness-Sportsendung „Medizin nach Noten“ gedreht. Moderator-Legende Karl-Heinz Wendorff erinnert sich noch gut daran. „16 Folgen gab es pro Woche. Ich war der meistbeschäftigte Moderator der DDR.“ Auch in der Polardisco oder beim Mitternachtsschwimmen hielt er die Besucher am Mikro bei Laune. Das SEZ würde Wendorff gern wieder glänzen sehen. „Aber das werde ich wahrscheinlich nicht mehr erleben.“ Zu lange hat sein früherer Arbeitsplatz den Glanz schon verloren.

Laut Veranstalter liefen an die 200 Berliner bei der Parade rund ums SEZ mit.   | Foto:  Ulrike Kiefert
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Das traurige Ende kam für das SEZ mit der Wende. Nach und nach stellte es seinen Betrieb ein, fast die gesamte Belegschaft wurde entlassen. Dem Berliner Senat als neuer Eigentümer waren die Kosten zu hoch und so schloss das Spaßbad im Dezember 2002. Unter dem damaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin verkaufte Berlin das SEZ schließlich für den symbolischen Preis von einem Euro an den Investor Rainer Löhnitz. Der Leipziger hatte viele Ideen für das Gelände. Ein Hostel zum Beispiel. Oder eine Reithalle. Gegen jegliche Abrisspläne sperrte sich aber der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Löhnitz sollte den Sport- und Schwimmbetrieb im SEZ aufrechterhalten. Ab November 2003 konnten die Berliner dann zunächst die renovierte Bowlingbahn und die Badminton- und Tischtennishalle wieder nutzen. In den Folgejahren fanden umfangreiche Entkernungs- und Instandhaltungsarbeiten im SEZ statt. 2016 wurde dann vor dem Landgericht Berlin darüber verhandelt, ob der Investor seine vertraglichen Pflichten erfüllt habe. Die Berliner Woche hatte darüber berichtet. 2022 entschieden die Richter des Kammergerichts, dass der Investor das SEZ an das Land Berlin für einen Euro zurückgeben muss. Der Investor war damit aber nicht einverstanden. Der Fall landete vor dem Bundesgerichtshof und der entschied im Dezember 2023, dass das Land wieder über das SEZ-Gelände verfügen darf. Kurz darauf gab der Senat die Wohnungsbaupläne bekannt.

Für die Initiative sind im Kiez rund um das SEZ aber bereits viele neue Wohnungen gebaut worden. „Nun steht die Versorgung mit Schwimm- und Sporthallen an. Wenn nicht im SEZ, wo sonst?“ Bettina Wolf und all die anderen wollen daher weiter gegen den Abriss und für die Sanierung kämpfen. Bis die Berliner im SEZ wieder schwimmen, Schlittschuh und Rollschuh laufen, Bowling und Badminton spielen können und noch so vieles mehr.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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