Lernen mal ganz anders
Grundschule am Traveplatz jetzt mit "Bauereignis"-Klassenraum

Kinder aus der 1b haben ihren neuen Wohlfühl-Klassenraum sofort erobert. | Foto:  Ulrike Kiefert
6Bilder
  • Kinder aus der 1b haben ihren neuen Wohlfühl-Klassenraum sofort erobert.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Hochtische, Lernbars und ein Sitzkreis: In der Grundschule am Traveplatz geht Lernen jetzt anders. Denn dort gestalteten Erstklässler ihren Klassenraum zum „Bauereignis“ um.

Die Klassentür steht offen. Drinnen hat man den gesamten Raum sofort im Blick. In der Mitte ein fester Sitzkreis, Bänkchen mit Yogikissen und Lernbars mit hohen Hockern, eine gemütliche Lesehöhle und viel Platz für Regale. Im Klassenraum der 1b geht Lernen mal ganz anders. Keine Kreidetafel an der Wand und aufgereihte Doppeltische, stattdessen ein Raum, der individuelles Lernen zulässt: stehend am Regal oder am Zweierhochtisch sitzend, auf kleinen Bänken oder auf dem Boden liegend.

Kinder haben hier freie Platzwahl auf Fichte, Kiefer oder Kissen.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Kinder haben hier freie Platzwahl auf Fichte, Kiefer oder Kissen.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

An der Grundschule am Traveplatz haben die Pädagoginnen der inklusiven Modellklasse im vergangenen Schuljahr den Klassenraum ihrer ersten Klasse nach dem Churer Modell, einem Konzept aus der Schweiz, umgestaltet. Das Architekturbüro Bauereignis Sütterlin Wagner half dabei. Ziel war es, einen Klassenraum zu kreieren, der zwei Funktionen gleichzeitig erfüllt: Die Kinder sollten ihn sowohl fürs (bewegte) Lernen als auch zum Entspannen nutzen können, frei nach dem Motto „Bewegt statt starr und zappelig“. Als Schulleiterin Patricia Lalaounis das erste Mal von „Bauereignis“ hörte, war sie sofort begeistert. „Wir fanden die Idee für unser Inklusionskonzept genau passend.“ Ein Klassenraum, der das frontale Unterrichten aufbricht, in dem die Kinder mit dem Lernmaterial wandern und entscheiden, ob sie sich stehend, sitzend oder liegend damit beschäftigen wollen. „Hier findet man nicht die übliche Einrichtung eines Unterrichtsraums“, so Patricia Lalounis. „Er wurde nach den Vorstellungen der Kinder individuell gestaltet und das macht ihn so besonders.“ Auch Klassenlehrerin Sarah Fröhlich, die das Inklusionskonzept der Grundschule mitentwickelt hat, hätte gern mehr solcher "Bauereignis"-Musterklassenzimmer. „Es ist ein schöner Raum des Lernens, aber auch des Wohlfühlens.“ Mit Rückzugsorten für ungestörtes Lernen oder Entspannen. „Und die Kinder lernen hier als Gruppe, sie achten aufeinander, haben Respekt“, erklärt die Sonderpädagogin.

Patricia Lalaounis (rechts) und Sarah Fröhlich sind begeistert.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Patricia Lalaounis (rechts) und Sarah Fröhlich sind begeistert.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Bei der Gestaltung und Einrichtung des neuen Klassenraums waren alle 22 Schülerinnen und Schüler der 1b beteiligt. Das gehört zum Konzept von „Bauereignis“. In der Entwurfsphase werden Ideen gesammelt, auf ihre Realisierbarkeit geprüft und aus Pappe, Papier und Holz erste Entwürfe gefertigt. Dann werden die Wunschmöbel in der Schule gebaut.

Das Berliner Projekt „Bauereignis“ ist 2007 an der Kreuzberger Nürtingen-Grundschule gestartet. Damals lernten die Kinder von Katharina Sütterling und Susanne Wagner dort. Beide bemängelten, dass Schulen und Klassenräume oft ohne diejenigen geplant und gebaut werden, die sie später nutzen. Das wollten sie ändern. Und so plant das Projektteam aus Architektinnen, Fachberatern, Studenten und Profihandwerkern bis heute gemeinsam mit Lehrern, Erziehern und Schülern, wie sie ihre Räume nutzen können. Die jeweilige Schule wird dann für eine Woche zur Kinderbaustelle. Mindestens 70 solcher Kinderbaustellen gab es bisher. Die Grundschule am Traveplatz mit rund 390 Schülern ist die erste Schule in Friedrichshain und die zweite im Bezirk, die ein bewegtes Klassenzimmer von Bauereignis hat. Das Projekt wird vom Senat mitfinanziert. Und auch der Edeka-Supermarkt im Kiez spendet der Schule regelmäßig Geld.

Der Klassenraum hat viel mehr Platz für Regale.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Der Klassenraum hat viel mehr Platz für Regale.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

An der Grundschule am Traveplatz hofft Schulleiterin Lalaounis, dass das Projekt Schule macht und den Lehrern vor allem Mut. In Zeiten, in denen (Sonder)Pädagogen fehlen, Klassen immer größer werden und die Schüler immer verschiedener.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

SozialesAnzeige
Ersthilfe kann jeder lernen. | Foto: africa-studio.com/Olga Yastremska and Leonid Yastremskiy

Reanimation lernen
Kostenloser Erste-Hilfe-Lehrgang

In Skandinavien gehört es längst zum Grundschulalltag, Reanimationen zu üben und Methoden der Erstversorgung zu trainieren. Die Menschen dort gehen ohne Angst an solche Situationen heran. Doch in Deutschland sterben noch immer zu viele Menschen, weil sie keine rechtzeitige Hilfe erhalten. Pro Minute, die ohne Unterstützung verstreicht, sinkt die Überlebenschance um 10 Prozent. Haben Sie sich schon einmal unsicher gefühlt, was in einem Notfall zu tun ist? Unser leitender Oberarzt der...

  • Pankow
  • 05.09.24
  • 731× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Sobald Beschwerden am Fuß auftreten, wird uns die Wichtigkeit dieses komplexen Körperteils plötzlich bewusst.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Veranstaltung für Patienten
Infos rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdienen? Oft vergessen wir sie, solange sie reibungslos funktionieren und keine Schmerzen verursachen. Doch sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Wichtigkeit dieses komplexen Körperteils plötzlich bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen bieten Ihnen fundierte Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungen. Erfahren Sie mehr über Rückfußprobleme wie...

  • Reinickendorf
  • 05.09.24
  • 687× gelesen
WirtschaftAnzeige
Ein starkes Team: Inhaber Torsten Becker, Viktoria Stefan (links) und Runa von Orlikowski feiern am 13. September das 60-jährige Bestehen von Optiker Kühntopp. | Foto: Optiker Kühntopp
5 Bilder

Optiker Kühntopp
Seit 60 Jahren für Sie da

Im September 1964 gründete Jürgen Kühntopp sein Optik-Fachgeschäft, das sich bereits seit den 80er-Jahren in dem denkmalgeschützten Haus in der Windscheidstraße 12 befindet, nur wenige Meter von der Kantstraße entfernt. 2009 übernahmen seine beiden langjährigen Angestellten, Torsten Becker und Thomas Kiehl, den Betrieb, der seit fünf Jahren von Torsten Becker erfolgreich allein weitergeführt wird. Der staatlich geprüfte Augenoptiker, Optikermeister und Optometrist verfügt über eine Reihe...

  • Charlottenburg
  • 30.08.24
  • 948× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Eine Karriere als Tätowierer eröffnet Ihnen viele Möglichkeiten. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

Beruf vorgestellt
Tattoo Artist: Dein Leitfaden zur Top-Karriere

Haben Sie sich jemals gefragt, was es bedeutet, ein Tätowierer zu sein? Ein Beruf, der heute auf dem Höhepunkt seiner Popularität steht, hat einen langen Weg der Transformation hinter sich, um zu dem Traum zu werden, den viele verwirklichen möchten. Dank des Durchhaltevermögens und des Glaubens der Tätowierer an ihr Handwerk hat dieser Beruf das heutige Ansehen erreicht. In diesem Artikel teilt VEAN TATTOO die Schlüsselaspekte der Arbeit eines Tätowierers und erklärt, wie man seinen Weg in...

  • Mitte
  • 21.08.24
  • 1.470× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.