Kampf um Kitaplatz: Klage von Eltern war erfolgreich

Der Ausbau der Kita in der Methfesselstraße scheiterte bisher am Schutz für einige Bäume. | Foto: Thomas Frey
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Das Land Berlin muss Eltern einen Kitaplatz in Wohnortnähe anbieten. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in einem Eilverfahren am 22. März festgestellt.

Geklagt hatten zwei Familien aus Pankow sowie aus Friedrichshain-Kreuzberg. Bei dem Richterspruch handelt es sich zwar um kein Urteil, sondern eine Entscheidung. Sie bestätigt aber noch einmal den gesetzlichen Anspruch auf eine Aufnahme in einer Kindertagesstätte, wenn gewünscht ab dem ersten Lebensjahr. Damit kam das OVG auch zu einer anderen Einschätzung als vor einigen Wochen das Berliner Verwaltungsgericht. Das hatte zwar diese Verpflichtung ebenfalls grundsätzlich bestätigt, aber gleichzeitig darauf verwiesen, dass die Kapazitäten in manchen Bezirken erst noch weiter ausgebaut werden müssten.

Die höhere Instanz ließ mögliche Ausbauprobleme nicht als Grund für das Abweisen eines Kitakindes gelten und hat auch gleich definiert, was es unter Wohnortnähe versteht: eine Einrichtung höchstens 30 Minuten entfernt von der eigenen Adresse. Als Grundlage gilt die Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, einschließlich der Weg zur Haltestelle. Nur wenn die Tagesstätte auf dem Weg zum Arbeitsplatz liegt, könne es auch länger dauern.

Bürgermeisterin begrüßt Entscheidung

Friedrichshain-Kreuzberg muss also in einem dieser Fälle den betroffenen Eltern einen Kitaplatz zuweisen, eventuell eine Tagesmutter zur Verfügung stellen.
Sie begrüße diesen Beschluss, erklärte Bürgermeisterin und Jugendstadträtin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne). Berlin müsse jetzt seine Instrumente aufden Prüfstand stellen, ob sie ausreichen. "Wir brauchen entweder eine zentrale Platzzuweisung oder Zuweisungsrechte der Jugendämter." Dabei klingt bereits an, was die Bürgermeisterin schon vor dem Spruch des Oberverwaltungsgerichts immer wieder ansprach: Im Zweifel sollten Kinder aus Friedrichshain-Kreuzberg bei der Aufnahme in Einrichtungen in Friedrichshain-Kreuzberg Priorität genießen. 

Beifall für die Entscheidung kam auch von Berlins Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD). Sie sieht aber neben dem Land auch die Bezirke in der Pflicht.

Dass Eltern aus Friedrichshain-Kreuzberg keinen Kitaplatz für ihr Kind im Bezirk finden, ist kein Einzelfall. Dabei müsste das nicht sein, wird Bürgermeisterin Herrmann nicht müde zu betonen. Friedrichshain-Kreuzberg habe in den vergangenen Jahren durch massiven Ausbau seine Hausaufgaben erledigt. Allerdings häufig zum Nutzen von benachbarten Bezirken. So würden allein etwa 1000 Kinder aus Neukölln hiesige Tagesstätten besuchen. Ebenfalls auf rund 1000 bezifferte sie den Überhang von Heranwachsenden aus anderen Gebieten, die im Bezirk einen Kitaplatz haben, gegenüber den Friedrichshain-Kreuzbergern, die in Einrichtungen in anderen Bezirken gehen.

Friedrichshain-Kreuzberg First?

Ein Zeichen, dass dieses Missverhältnis nicht mehr länger in dieser Größenordnung akzeptiert werde, war in den vergangenen Wochen das Ablehnen von zwei Tagespflegeplätzen für Eltern aus Neukölln durch das Jugendamt. Der Spruch des Oberverwaltungsgerichts spielt dabei ebenfalls in die Karten. Denn wenn jetzt Wohnortnähe postuliert wird, heißt das erst einmal Priorität für die eigenen Kinder.

Was allerdings auch auf Kritik stößt. In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 21. März warf der FDP-Bezirksverordnete Michael Heihsel der Bürgermeisterin eine "Friedrichshain-Kreuzberg-First"-Strategie vor. Die Wortwahl, die an Donald Trumps "America First" erinnern sollte, war natürlich bewusst gewählt. Wie der US-Präsident wolle sich der Bezirk nach außen abschotten, suggerierte Heihsel. Was weder zum Image von Friedrichshain-Kreuzberg passe, noch vielen Lebensrealitäten entspreche. Deshalb sei das "diskriminierend und sowohl moralisch, als auch juristisch nicht tragbar."

Der Antrag "Xhain-First bei Kitaplatz-Vergabe beenden" der FDP sei weltfremd, entgegnete Monika Herrmann. Wenn es zu Klagen komme, wie jetzt vor dem OVG, sei der Bezirk in der Pflicht. Anregungen, wie die von Jugendsenatorin Scheeres, für eine gewisse Zeit müssten bei Härtefällen auch Überbelegungen in den Kitas möglich sein, wäre auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Abgesehen davon, dass das an manchen Stellen bereits passiere.

Es fehlen Erzieherinnen

Dazu kämen weitere Probleme. Etwa fehlende Erzieherinnen, weshalb rund 400 eigentlich vorhandene Plätze nicht angeboten werden könnten. Deshalb werde auch verstärkt auf Quereinsteigerinnen zurückgegriffen. Was aber ebenfalls nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz zielführend sei. Insgesamt müsse der Erzieherinnenberuf attraktiver, sprich besser bezahlt werden.

Schließlich noch die Frage möglicher Ausbaukapazitäten. Auch hier ist Friedrichshain-Kreuzberg weiter in der Pflicht, musste sich zuletzt aber auch dem Vorwurf aussetzen, nicht überall offensiv vorzugehen. An drei Standorten, auf denen eigentlich modulare Kita-Ergänzungsbauten geplant waren, scheitere das wegen des Grundstückszuschnitts. Es werde dort nach Alternativen in Form von festen Gebäuden gesucht, beteuerte die Bürgermeisterin (wir berichteten).

An der Methfesselstraße liegt der Ausbau einer dort vorhandenen Tagesstätte auf Eis, weil es Einwände wegen dafür zu fällender Bäume gab. Auch dort werde aber weiter an einer Lösung gearbeitet. Als möglicher weiterer Kitaplatz wurde zuletzt auch immer wieder die inzwischen nicht mehr besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule ins Spiel gebracht. Zunächst mit ablehnender Tendenz. Inzwischen wird auch darüber diskutiert. Ein entsprechender Antrag der CDU, dem auch die SPD beigetreten ist, soll jetzt im Jugendhilfe- sowie Integrationsausschuss weiter beraten werden.

Der Ausbau der Kita in der Methfesselstraße scheiterte bisher am Schutz für einige Bäume. | Foto: Thomas Frey
Die Gerhart-Hauptmann-Schule als weiterer Kitastandort. Auch darüber wird inzwischen gesprochen. | Foto: Thomas Frey
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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