Das tägliche Kampf um das Geschäft: Zwei Einzelhändlerinnen und ihre besonderen Angebote
Friedrichshain-Kreuzberg. Was wäre Berlin ohne lebendige Einkaufsstraßen und attraktive Geschäfte. Damit der lokale Einzelhandel eine Zukunft hat, engagieren sich zahlreiche Geschäftsleute. Wie die Situation in Friedrichshain-Kreuzberg eingeschätzt wird, stellt die Berliner Woche im Rahmen der Aktion "Das geht uns alle an" vor.
Wie läuft der Laden? Sie sei ganz zufrieden, sagt Ines Pavlou. Er könnte besser gehen, meint Ina Simson. Zwei Einzelhändlerinnen, eine in Friedrichshain, die andere in Kreuzberg. Beide mit einer originellen Geschäftsidee. Zwischen ihnen gibt es Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
Ines Pavlou hat 2007 in der Gärtnerstraße ihren Laden "Amitola" eröffnet. Ihr Angebot bestand zunächst aus Second-Hand-Kindermode. Zwei Jahre später bezog sie größere Räume in die Krossener Straße 35. Dort gibt es inzwischen nicht nur Bekleidung, sondern eine Art Rundum-Programm für Kinder und ihre Eltern. Workshops, einen Indoor-Spielplatz, Theater- und Ballettaufführungen. Zentrum des ganzen und Namensgeber ist das Familiencafé "Amitola". Das Wort kommt aus dem indianischen und heißt Regenbogen.
Ina Simson startete Ende 2011 ihr Geschäft "Kunstgriff" in der Riemannstraße 10. Wie der Name schon andeutet, geht es hier um ein künstlerisch wertvolles Sortiment von Souvernirs über Seidentücher bis zu handgemachten Spielen. Ein Schwerpunkt sind inzwischen sogenannte Upcycling-Waren, die die Chefin selbst herstellt. Dabei handelt es sich um Schmuckstücke wie Ketten, Armreifen oder Ohrringe, in die Papierreste, Kronkorken, auch Nespressokapseln eingearbeitet werden. Wie diese Kreationen gefertigt werden, dazu bietet Ina Simson ebenfalls regelmäßige Workshops an. Sie finden ab 1. Oktober wieder jeden Sonnabend von 14 bis 17 Uhr statt.
Ina Simsons Geschäftsidee müsste sich eigentlich gut in Kreuzberg machen. Aber sie sagt, sie hangle sich eher durch die Jahre. Woran das liegt, darüber hat sie sich Gedanken gemacht. Die Riemannstraße sei eben nicht die benachbarte Bergmannstraße, ist ein Erklärungsversuch. Auch Touristen würden sich eher selten hierher verirren. Und klar, sie müsste wohl mehr auf sich aufmerksam machen. "Werbung, Werbung, Werbung", so formuliert es Ina Simson. Nur, wie sich bei nicht nur knappem Geld-, sondern vor allem Zeitbudget darum noch kümmern? Denn der Arbeitstag endet ja meist nicht nach Betriebsschluss. Anderen Einzelhändlern gehe es ähnlich.
Minimum drei Jahre
Minimum drei Jahre dauere es, bis ein Laden sich amortisiere, ist die Erfahrung von Ines Pavlou. Mit ihrem "Amitola"-Konzept hatte sie zur richtigen Zeit das richtige Gespür, dazu vielleicht auch etwas Glück. Denn ihr Start und weiterer Werdegang verlief parallel mit dem Verbleib und später starkem Zuzug von jungen Paaren und Familien nach Friedrichshain, in dessen Folge es dort immer mehr Kinder gab. Also genau die Kundschaft für das Familiencafé. Das ist deshalb inzwischen eine eingeführte Adresse.
Was aber nicht heißen soll, dass alles rosarot ist. Ein zunehmendes Problem werde die Online-Konkurrenz, hat die "Amitola"-Chefin festgestellt. Auch in ihren Laden kommen immer wieder vermeintliche Kunden, die sich Waren zeigen lassen, dann aber wahrscheinlich im Netz bestellen. Ähnlich wie Ina Simson findet auch sie, dass es in puncto Eigenreklame noch Potenzial gibt.
Allerdings hat gerade Ines Pavlou zuletzt für Beachtung gesorgt. 2015 erhielt sie den Berliner Inklusionspreis im Bereich Kleinunternehmen. Im Juni folgte ein Sonderpreis beim Wettbewerb "Berlins bester Ausbildungsbetrieb". Gewürdigt wurde beide Male ihr Engagement für Menschen mit Behinderung oder Lernschwäche. Sieben Azubis mit einem Handicap hat sie inzwischen erfolgreich durch ihre Lehrzeit im "Amitola" gelotst. Vier arbeiten aktuell dort. Inzwischen nicht nur in Friedrichshain, sondern seit September 2015 auch in einem weiteren Geschäft in der Treskowallee in Karlshorst. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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