Fröhlich sein und singen
Ralf Kegel und die Erinnerung an die Jugendzeitschrift Frösi
Die junge Frau hantiert mit Spaghetti. Auch in der Rubrik "Prominente und Talente" wird sie vorgestellt. Ralf Kegel lächelt. "Dafür müsste mir die Inka eigentlich dankbar sein."
Bei ihr handelt es sich um den heutigen Fernsehstar Inka Bause ("Bauer sucht Frau"). Sie war 20, als sie im Frühjahr 1989 im Mittelpunkt einer reich bebilderten Homestory stand, erschienen in der DDR-Jugendzeitschrift Frösi. Die Texte stammten von Ralf Kegel, bis zum Ende Chefreporter des Blatts.
Meine Frau ist in der DDR aufgewachsen. Auf die Frage, ob ihr der Name ein Begriff sei, schaute sie nur mitleidig. "Es gab kaum ein Kind im Osten, das Frösi nicht kannte." Ralf Kegel goutiert das mit Zustimmung, ja Genugtuung. Frösi lasse sich mit keinem anderen Printprodukt vergleichen, sagt er. Das sei schon den Besonderheiten im SED-Staat geschuldet gewesen. Aber nicht nur.
Mit- und selber machen
Beim Durchblättern einiger Ausgaben wird deutlich, was er meint. Auch anhand der Frösi-Relikte, die auf einem Sofa in seiner Friedrichshainer Wohnung ausgebreitet sind. Es gab Bildergeschichten, Prominente wurden vorgestellt Lieder abgedruckt und Kunstwerke besprochen, Helden aus der Historie den Lesern nahe gebracht. Regelmäßiger Bestandteil waren auch Tierfiguren. Von Otto, dem grünen Affen, bis zu Emma, dem rosa Elefanten. Emma war das Maskottchen für Aktionen mit dem Wertstoffkombinat Sero. Wie es überhaupt ständig ums Mitmachen ging: von Preisausschreiben, dem Einschicken von Geschichten bis zur Teilnahme an der Frösi-Disco, die regelmäßig durchs Land rollte. Auch Talentwettbewerbe gehörten in diese Kategorie. Und schließlich vieles zum selber machen: malen, basteln, Weihnachtsschmuck dekorieren. Alles zugeschnitten auf Heranwachsende von zehn bis 13 Jahren, den "Thälmann-Pionieren".
Denn Frösi agierte natürlich nicht im luftleeren Raum. Herausgeber war der Zentralrat der FDJ, die Monatszeitschrift erschien im Verlag der "Jungen Welt". Das erste Mal am 24. oder 25. Juni 1953, da sind sich die Zeitzeugen nicht mehr ganz sicher. Aber vor ziemlich genau 65 Jahren. "Fröhlich sein und singen", stand über dem Premierentitel. Der galt schnell als zu lang und sperrig. Die Abkürzung setzte sich durch – Frösi.
Ein größere Spielwiese
Ein Agieren unter vorgegebenen Bedingungen räumt Ralf Kegel ein. Gleichzeitig stellt er einige Besonderheiten heraus. Der damals 30-Jährige kam 1977 zu Frösi. Acht Jahre später wurde er Chefreporter.
Die Spielwiese wäre größer gewesen. "Vielleicht, weil wir eine Kinderzeitschrift waren." Seine Reportagen habe er machen können, auch wenn in den Texten häufig herum- oder herausredigiert wurde. Leistungen von FDJ-Brigaden sollten gebührenden Raum bekommen. Etwa beim Wohnungsbau in der Hauptstadt. Dass parallel dazu die Bausubstanz bröckelte, war wiederum kein Thema. Harte Politik kam am deutlichsten in Gastbeiträgen vor, etwa vom Junge-Welt-Chefredakteur. In der Ausgabe vom Frühjahr 1989 mit der talentierten Inka Bause setzte er sich mit alten und neuen Nazis in der Bundesrepublik auseinander.
Die Betrachtung des westdeutschen "Klassenfeindes" sei Wellenbewegungen unterworfen gewesen, meint Ralf Kegel. Eher entspannt wäre es im Musikbereich gegen Ende der DDR zugegangen. Sänger wie Peter Maffay oder US-Star Bruce Springsteen hätten in Weißensee oder der Seelenbinder-Halle gastiert. Beachtet auch bei Frösi. "Wir haben uns da rangehängt."
Die Zeitschrift kostete zunächst 50, zuletzt 70 Pfennig. Dass sie trotz einer Auflage von bis zu 650 000 Exemplaren Zuschüsse erhielt, habe kaum interessiert. Nur dadurch habe sich der enorme Aufwand finanzieren lassen. Auch durch einen Beitrag, der heute eher umschrieben wird. "Sie wissen, wo die Seiten produziert wurden?", fragt Ralf Kegel. Ja, in Bautzen. Häftlinge fertigten sie dort.
Aus Frösi wird Tandem
Nicht nur damit war nach dem Umbruch 1989 Schluss. Das gesamte Konstrukt geriet schnell ins Wanken. Die Beigabe von Sonnenblumensamen, die in einer der Inka-Bause-Ausgaben im Frühjahr zwecks Blüte zum 40. Jahrestag der DDR im Oktober beigelegt waren, markierten eine der letzten staatstragenden Aktionen von Frösi.
Zunächst hätte es die Hoffnung gegeben, die Zeitschrift könne sich ohne bisherige Stützen behaupten und eine Fortsetzung vielleicht für westdeutsche Verlage attraktiv sein. "Da waren wir naiv." Unter dem Titel "Tandem" erschien sie noch bis 1991.
Eine kurze Wiederbelebung folgte 14 Jahre später. Sie dauerte nur drei Ausgaben. Ein Fehler der damaligen Macher wäre gewesen, niemand aus der einstigen Belegschaft an Bord zu holen, meint Ralf Kegel.
Er hatte nach Frösi, beziehungsweise Tandem, eine für viele nicht untypische Arbeitsbiografie aus ABM-Maßnahmen, kurzfristigen Beschäftigungen und Projekten. Auch zwei Jugendzeitschriften hat Ralf Kegel danach zeitweise verantwortet. Ehrenamtlich oder mit wenig Salär. Das Metier bleibt seine Profession. Schon deshalb war Frösi seine "schönste Zeit".
Am 24. Juni will er sie noch einmal aufleben lassen. Anlässlich des 65. Geburtstags hat der einstige Chefreporter ein Zusammentreffen ehemaliger Mitarbeiter organisiert. Kommen wird auch Helga Wulff. Die 86-Jährige war von Anfang bis Ende dabei, zuletzt als Chefsekretärin.
Ob er einmal daran gedacht habe, seine Frösi-Jahre aufzuschreiben? Zunächst wehrt Ralf Kegel ab. "Glauben Sie, dass das interessiert?" Um dann zuzugeben, dass er seit einiger Zeit an einem Lebensabriss arbeitet.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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