Wer war Ernst Zinna?: Einer der jüngsten Toten der 48er-Revolution und sein Nachruhm

Ernst Zinna (rechts) und Heinrich Glasewaldt auf der Barrikade an der Ecke Jäger- und Friedrichstraße. Festgehalten in der Federlitographie von Theodor Hosemann. | Foto: Gemeinfrei aus Wikipedia
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  • Ernst Zinna (rechts) und Heinrich Glasewaldt auf der Barrikade an der Ecke Jäger- und Friedrichstraße. Festgehalten in der Federlitographie von Theodor Hosemann.
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Von ihm existiert kein Grabstein oder Kreuz mehr. Sein Bestattungsort ist aber noch bekannt: IV. Abteilung, Nummer 23 auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark Friedrichshain.

Dort, am südöstlichen Ende des Rasenkarrees mit dem Gedenkstein in der Mitte, ruht seit dem 22. März 1848 der Schlosserlehrling Ernst Zinna. Er wurde 17 Jahre alt. Gestorben ist er drei Tage zuvor an einer Schussverletzung während der Barrikadenkämpfe an der Kreuzung Friedrich- und Jägerstraße in Mitte. Er war dort der letzte Verteidiger, wurde, der Überlieferung nach, auf seinem verlorengegangenen Grabzeichen vermerkt.

Ernst Zinna war nicht das jüngste Opfer des Aufstandes von 1848 in Berlin. Auf dem Friedhof findet sich zum Beispiel der Stein von Herrman Schulz, zum Zeitpunkt seines Todes erst 15 Jahre alt. Und nur zwölf Jahre war laut von der ag Friedhofsmuseum zusammen mit dem Paul-Singer-Verein erstellten Liste aller dort Bestatteten der Knabe Karl Hahn. Sie verzeichnet 282 Personen.

Ernst Zinna ist unter ihnen wahrscheinlich der bekannteste Name, weil sein Schicksal sehr schnell besonders bewegte. Ausdruck dafür ist eine zeitgenössische Federlitographie von Theodor Hosemann. Sie zeigt ihn kurz vor seinem Tod zusammen mit dem Schlossergesellen Heinrich Glasewaldt auf der Barrikade. Glasewaldt wurde dort verletzt.

Eine richtig gehende Erinnerungskultur gab es zu DDR-Zeiten. Schulen und Jugendclubs trugen seinen Namen und zwischen 1957 und 1989 existierte ein Ernst-Zinna-Preis, der für besondere Leistungen an junge Erfinder oder Künstler vergeben wurde. Neueren Datums ist der Ernst-Zinna-Weg, der, von der Landsberger Allee abgehend, am Friedhof der Märzgefallenen vorbei zum westlichen Eingang des Krankenhauses Friedrichshain führt. Er wurde 2000 auf Initiative von Schülern des ehemaligen Erich-Fried-Gymnasiums benannt. Der Friedhof liegt seither am Ernst-Zinna-Weg 1.

In den Nachruhm fand der gewaltsame frühe Tod ebenso Eingang, wie manche Stationen des vorherigen kurzen Lebens. Auch an Mut hat es ihm anscheinend nicht gefehlt. Und in der DDR wurde vor allem der Nimbus als revolutionärer Held herausgestellt.

Geboren wurde Ernst Friedrich Rudolf Zinna am 8. September 1830 in Berlin. Sein Vater war ein Seidenwirkermeister und Gärtner. Die ersten sechs Lebensjahre soll er mit seiner Familie im "Mehnertschen Haus in der Communication", an der heutigen Friedenstraße, gewohnt haben. Nur wenige Meter vom späteren Friedhof entfernt.

Der Beruf der Seidenwirker wurde mit Beginn der Industrialisierung immer mehr verdrängt. Wer ihn ausübte, verdiente oft weniger als das Existenzminimum. Wohl auch deshalb hatte sich Ernst Zinna für eine Schlosserlehre entschieden, die bessere Aussichten bot.

Mit 14 Jahren begab er sich auf Wanderschaft zu seinem Onkel nach Bad Kreuznach, der eine Zeitlang für ihn sorgen sollte. Dort soll Ernst Zinna binnen weniger Tage im Juni 1846 zwei Menschen vor dem Ertrinken aus dem Wasser gezogen haben. Zumindest berichtet das Wilhelm Angerstein in seinem bereits 1864 erschienenen Buch zu den Berliner Märzereignissen 1848. Er erwähnt auch, dass der damals 15-Jährige dafür mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet wurde.

Dass sich Ernst Zinna bei Ausbruch der Revolution auf der Seite der Aufständischen wiederfand, war kein Zufall. Ein Gang entlang der noch vorhandenen Grabsteine auf dem Friedhof der Märzgefallenen oder ein Blick in die Totenliste macht das deutlich. Als Berufe werden dort häufig Bäcker, Schneider, Tischler oder andere handwerkliche Tätigkeiten genannt. Arbeiter oder Arbeitsmänner sind dort ebenfalls zahlreich bestattet. Ebenso wie einige Studenten. Und mindestens zwölf Frauen. Sie stehen für den Volksaufstand im Frühjahr 1848, bei dem sich die eigene, oft unzureichende materielle Situation mit der Forderung nach Freiheit, Rechtssicherheit und Demokratie verband. Auch das Ziel einer nationalen Einheit kam auf die Agenda.

Die Revolution war zunächst in Frankreich ausgebrochen. Sie schwappte schnell über den Rhein und erreichte wenige Tage später Berlin. Bei einem großen Protestaufzug vor dem Schloss am 18. März versprach der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. zunächst Verbesserungen. Dann ging allerdings Militär gegen die Demonstranten vor. Die Auseinandersetzungen mündeten in die Barrikadenkämpfe, die die gesamte Nacht andauerten. Am folgenden Morgen zog der König die Soldaten zurück. Die Revolution hatte zunächst gesiegt. Der Preis dafür waren mehrere hundert Tote. Einer von ihnen war Ernst Zinna. Sein Leichnam war Teil des großen Trauerzugs, der sich am 22. März von der Stadt in Richtung Friedrichshain bewegte. Er führte auch am Schloss vorbei. Als Zeichen der Ehrerbietung für die Toten wurde der König gezwungen, den Hut abzunehmen.

Im Zuge der Revolution gab es wenige Wochen später zum ersten Mal freie und gleiche Wahlen in allen deutschen Ländern, allerdings nur für Männer. In der Paulskirche in Frankfurt am Main konstituierte sich das erste demokratisch-legitimierte Parlament in der deutschen Geschichte. Es hielt sich allerdings nur gut ein Jahr. Nach und nach bekamen die Monarchie, der Adel und das Militär erneut Oberhand und stellten die "alte Ordnung" wieder her. Bis zum zweiten Anlauf für eine demokratische Verfassung sollte es bis 1918 dauern. Auch dieser Versuch begann mit einer Revolution, deren Tote ebenfalls auf dem Friedhof im Friedrichshain ihre letzte Ruhe fanden.

1848 jährt sich in diesem Jahr zum 170. Mal. 1918/19 ist demnächst 100 Jahre her. An beide Daten wird bei Gedenkfeiern 2018 erinnert. Und damit auch an Ernst Zinna.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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