Eine Ausstellung und die Deutungshoheit
Symbol des Kampfes für die Demokratie

Nach der Eröffnung. Von links: Dietmar Engel, Designerin Helga Lieser, Susanne Kitschun, Johannes Kahrs, Klaus Lederer, Walter Momper, Clara Herrmann und Rüdiger Hachtmann. | Foto: Thomas Frey
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  • Nach der Eröffnung. Von links: Dietmar Engel, Designerin Helga Lieser, Susanne Kitschun, Johannes Kahrs, Klaus Lederer, Walter Momper, Clara Herrmann und Rüdiger Hachtmann.
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Am Eingang des Friedhofs der Märzgefallenen wurde am 3. September eine neue Dauerausstellung eröffnet. Sie beschäftigt sich mit der Revolution von 1918/19 in Deutschland. Ein Datum, das sich im November zum 100. Mal jährt.

Als am 9. November 1918 der Kaiser und mit ihm alle weiteren Herrscherhäuser zum Abdanken gezwungen wurden und man die Republik ausrief, kam es in Berlin zu Kämpfen zwischen Arbeitern und Soldaten auf der einen und Militär, das noch immer auf der Seite der alten Staatsmacht stand auf der anderen Seite. Mindestens 20 Aufständische starben dabei. Sie fanden am 20. November 1918 auf dem Friedhof der 1848er ihre letzte Ruhe. Denn ebenso wie diese waren sie für Freiheit und Demokratie gefallen.

Einen weiteren Trauerzug gab es einige Wochen später. Er galt 14 weiteren Toten, die nach einer Konfrontation am 6. Dezember 1918 zu beklagen waren. Erschossen wurden sie von Mitgliedern der "Republikanischen Soldatenwehr". Das war wiederum eine Schutztruppe, die von der ersten provisorischen Reichsregierung, dem sogenannten Rat der Volksbauftragten, aufgestellt worden war.

Im November 1918 seien die Grundlagen für die erste Demokratie in Deutschland gelegt worden, strich Prof. Rüdiger Hachtmann, stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender der Gedenkstätte bei seiner Rede heraus. Allgemeines und gleiches Wahlrecht, zum ersten Mal auch für Frauen, oder der Acht-Stunden-Tag. Gleichzeitig spaltete sich die Arbeiterbewegung bei der Frage parlamentarische Republik oder Rätesystem. Das begünstigte den späteren Aufstieg der Nazis.

Vereinte Demokraten

Eine Bestandsaufnahme war auch Thema bei den Beiträgen von Kultusenator Klaus Lederer (Linke), Friedrichshain-Kreuzbergs Kulturstadträtin Clara Herrmann (Bündnis90/Grüne) und Johannes Kahrs, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Reichsbanners "Schwarz-rot-gold". Diese Vereinigung ist in der Weimarer Republik und zu ihrem Schutz entstanden, getragen von Mitgliedern der Sozialdemokraten über Liberale bis zum katholischen Zentrum. In der Nazizeit war die Organisation verboten und verfolgt.

Für das Reichsbanner sei der Friedhof der Märzegefallenen immer ein wichtiger Ort gewesen, betonte Johannes Kahrs. In ihrer Hochzeit zählte die Organisation rund drei Millionen Köpfe. Heute sind es nur noch knapp 1000. Dennoch bleibt das Reichsbanner ein Beispiel für den Zusammenhalt von Demokraten, der gerade aktuell wieder benötigt werde.

Die Ereignisse der jüngsten Tage, Stichwort Chemnitz, hätten mehr als deutlich gezeigt, dass unsere Staatsform großen Gefahren ausgesetzt und ihr Bestand längst kein Selbstläufer mehr sei, wurde mehrfach hervorgehoben. Sie müsse gelebt, erstritten, gegen ihre Feinde verteidigt werden. Menschen seien für sie gestorben. 1848 genauso wie 1918.

Schon deshalb ist der Friedhof dafür ein symbolischer Ort. Das wird zunehmend erkannt. Die aktuelle Ausstellung sei nur die erste einer geplanten Trilogie, sagt die Leiterin und SPD-Abgeordnete Susanne Kitschun. Sie wurde ebenso wie ihr Begleitprogramm und vorgesehene ärchäologische Forschungen auf dem Gräberfeld mit Lottomitteln in Höhe von 500 000 Euro finanziert. Außerdem ermöglichte die Förderung, mit Dietmar Engel einen Historiker einzustellen.

Eine weiterer Teil werde sich detailliert mit 1848 beschäftigen. Dazu gab es bereits ab 2011 eine temporäre Schau. Außerdem verweisen darauf Tafeln in einem Container am Eingang. Weiter geplant ist als dritte Abteilung eine Geschichte des Friedhofs im Spiegel seiner eindreiviertel Jahrhunderte und unterschiedlicher politischer Systeme.

Wer deutet 1848?

Auch um Platz für diese Ausstellungen zu schaffen, soll der Container eines Tages durch ein festes Gebäude ersetzt werden. Sein Standort ist vis-à-vis am ehemaligen Eingang des Krankenhauses Friedrichshain vorgesehen. So zumindest die Wünsche. Sie scheinen auf einigermaßen Gehör zu stoßen. Klaus Lederer kündigte ebenso Unterstützung an, wie Johannes Kahrs. Um ein Zeichen zu setzen.

Bei der vorangegangenen Gedenkveranstaltung für 1848 im März wären mehrere Teilnehmer aus dem Spektrum der Rechtspopulisten zugegen gewesen, erzählt Susanne Kitschun. Ausgestattet mit überdimensionalen schwarz-rot-goldenen Flaggen. Auch das zeigt, dass es hier um die Deutungshoheit über die deutsche Demokratiegeschichte geht.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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