„Ich bin ja jemand, der nichts mehr will“
Bereits 40 Menschen hat Joachim Brunner als Ehrenamtlicher auf ihrem letzten Weg begleitet
Joachim Brunner eilt federnden Schritts, mit modisch-gelber Daunenjacke und schwarzer Jeans bekleidet, durch den neonbeleuchteten Gang in der zweiten Etage des Franziskus-Krankenhauses in Tiergarten. Das, was ihn hinter einer der Türen erwartet, ist der Tod.
Das klingt zunächst einmal dramatisch. Aber Joachim Brunner ist so etwas wie ein guter Geist für die, die das Ende ihres Lebens erreicht haben. Er ist ehrenamtlicher Lebens- und Sterbebegleiter im Hospizdienst des Kompetenzzentrums Palliative Geriatrie innerhalb des Unionhilfswerk.
Kurs absolviert
Seit gut vier Jahren begleitet Joachim Brunner Menschen auf ihrem letzten Weg. Zuvor absolvierte er einen Kurs zum ehrenamtlichen Lebens- und Sterbebegleiter. Das Dasein für andere war für den 52-Jährigen schon durch sein Engagement als Küster in der heimatlichen Kirchengemeinde in Bayern selbstverständlich: „Sich um Menschen zu kümmern, war einfach normal.“
An seine erste Begleitung erinnert sich Joachim Brunner noch gut: ein alter Herr – im gleichen Jahrgang wie sein Vater. Sieben Monate lang besuchte er ihn zu Hause. „Diesem Mann beim Sterben zur Seite stehen zu können, war ein gutes Gefühl“, sagt Brunner. „Aber es ist trotzdem ein Abschied, der schmerzt. Man muss sich erst an die Tatsache gewöhnen, jemanden kennenzulernen, um ihn vielleicht schon nach wenigen Tagen wieder zu verlieren.“
Mauern überwinden
Das ist nicht immer leicht. Und es gibt auch erst einmal die Hemmung, auf jemanden zuzugehen – schließlich ist das Sterben etwas sehr Intimes. Doch seien die meisten Menschen dankbar für einen Besucher zum Reden oder Schweigen, Weinen und auch Lachen. „Ich bin ja jemand, der nichts mehr will. Der kein Blut abnimmt, keine Spritze gibt, sich nicht aufdrängt“, so Brunner. Doch müsse man auch akzeptieren, wenn ein Patient alle Angebote ablehnt, niemanden mehr sehen will. Jeder habe schließlich das Recht, sein Leben so zu beschließen, wie er es will, ist Brunner überzeugt. Häufig gibt es aber einen Weg, die Mauer aus Abwehr und Angst, aus Wut über das Schicksal zu durchbrechen: Zuhören, Berührungen, stille Präsenz können Menschen helfen, die sich mit dem Unfassbaren abfinden müssen: dem nahenden Tod.
Das Ende zu begreifen, das Unausweichliche zu akzeptieren – das ist es, was sterbende Menschen wohl am meisten beschäftigt. Joachim Brunner hat das schon oft erlebt. Es ist ein Prozess, bei dem Ehrenamtliche wie er den Menschen unterstützend zur Seite stehen. Das sei manchmal schwer zu ertragen. „Man muss wissen, was man sich zutrauen kann.“
40 Tode waren es bisher, die sich Joachim Brunner zugetraut hat. Manchmal kommt das Ende abrupt, schon nach einem Besuch. In der Regel kommt er aber vier- bis fünfmal zu den Menschen. Wird jemand aus dem Krankenhaus entlassen, weil er daheim oder in einem Hospiz sterben möchte, dann begleiten Brunner und seine Mitstreiter den Menschen auch dort.
Psychologische Begleitung
Für die nötige Reflexion des Erlebten sorgen monatliche Zusammenkünfte der Lebens- und Sterbebegleiter. Außerdem gibt es Beratungen durch eine Psychologin, die Brunner bei Bedarf auch jederzeit kontaktieren kann. „Die Begleitungen sind für mich jedes Mal wie ein Abtauchen in eine andere Welt. Die Uhren ticken anders, das macht sehr demütig und dankbar für das eigene Sein“, sagt er.
Wer Interesse an diesem wichtigen und verantwortungsvollen Ehrenamt hat oder eine hospizliche Begleitung sucht, erfährt telefonisch mehr unter Tel. 78 82 22 45 und im Internet auf www.hospiz-fuer-berlin.de.
Autorin Claudia Pfister ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Zentralen Anlaufstelle Hospiz (ZAH) beim Unionhilfswerk tätig.
Autor:Claudia Pfister aus Tempelhof |
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