Sprache als erster Schritt

Ziemlich konzentriert. Nofah (links) und Hani versuchen, die Angebote deutscher Einwohnermeldeämter zu verinnerlichen. | Foto: Thomas Frey
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Friedrichshain-Kreuzberg. Der Text bedeutet einen Kampf mit dem Umlaut. Es geht darin um einen Service der Einwohnermeldeämter in 113 Städten, durch den man Anträge online erledigen kann.

Ein halbes Dutzend Männer liest die Zeilen im Wechsel. Sie sollen die virtuellen Dienstleistungen des deutschen Meldewesens nicht nur verstehen, sondern danach auch zusammenfassen. Denn irgendwann werden sie dort hoffentlich ebenfalls zum Anzeigen einer Adresse vorstellig.

Solche teilweise schon ambitionierten Sprachübungen sind Teil des Deutschkurses A1 2 für Flüchtlinge mit geringen Kenntnissen, den die Volkshochschule in der Wassertorstraße anbietet. Unterricht ist täglich außer Donnerstag jeweils dreieinhalb Stunden. 400 Stunden werden es insgesamt sein. Verständigung im Alltag ist das Ziel. Für viele schließt sich ein B-Kurs an, der weitergehende Kenntnisse auch für das Arbeitsleben vermittelt.

Sich mittels Sprache zurechtfinden können, das wollen auch die Männer in diesem Raum. Wobei die Gruppe einen Eindruck vermittelt, wie leicht oder schwer das jedem fällt. Da ist ein Junge aus Eritrea, nach eigenen Angaben 18 Jahre alt. Er macht einen eher teilnahmslosen Eindruck. „Dabei hat er bereits einen ersten Aufbaukurs absolviert“, weiß Lehrerin Edelgard Singendonk-Spies.

Ganz anders die Syrer Nofah (25) und Hani (26). Nofah gibt in ziemlich ansprechendem Deutsch einen kurzen Lebensabriss. Er stammt aus Idlib an der türkischen Grenze, hat Wirtschaft studiert und ist seit neun Monaten hier. Nofah liest gern und macht Sport im Fitnessstudio. Noch lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft. Dort stört ihn am meisten, dass man kaum Platz für sich allein hat. Als Berufswunsch gibt er Zahntechniker an. Oder weiter studieren.

Auch Hani würde gern an eine Hochschule. Was ihm aber, laut eines mitgebrachten Dokuments, bisher untersagt ist. Er sei Musiker und komme aus Damaskus, sagt der 26-Jährige. Hani macht den Eindruck, als wolle er Dingen sehr schnell auf den Grund gehen. „Was bedeutet anbieten?“, fragt er, als er über diese Vokabel im Text stolpert. Dass sie hier mit ganz unterschiedliche Biografien und Talenten umgehen muss, ist Edelgard Singendonk-Spies bewusst. Die Rentnerin hat sich für diese Aufgabe gemeldet, als die Deutschkurse wegen der großen Zahl von Flüchtlingen stetig ausgeweitet wurden. Den Hintergrund bringt sie als Lehrerin und langjährige Mitarbeiterin im Jobcenter mit.

Genug Bewerber für den Unterricht gebe es, sagt Bianca Ploog, Programmleiterin für Deutsch als Fremdsprache an der Volkshochschule. Auch zusätzliche Sprachseminare bewillige der Senat bisher meist sehr schnell. Einschließlich der Integrations- und Alphabetisierungskurse sind es inzwischen allein in Friedrichshain-Kreuzberg mehr als 20. Trotzdem bleibt die Frage, ob das Angebot mit der Nachfrage Schritt halten kann. Und da sich die Interessenten in der Regel freiwillig melden müssen, hat Bianca Ploog den Eindruck, dass manche durch den Rost fallen. „Wir haben noch immer kaum Frauen.“

Dabei sei die Sprache der Schlüssel, um sich hier ein neues Leben aufzubauen, sagt Edelgard Singendonk-Spies. „Wir dürfen auf keinen Fall die Fehler früherer Zuwanderung wiederholen.“ Dazu trägt sie bei, wenn sie ihre Schüler mit den Unwägbarkeiten des deutschen Umlauts oder anderen Schwierigkeiten vertraut macht. Auch der grammatikalisch falsche Satz „Ich habe fertig“ spielt im weiteren Verlauf des Unterrichts eine Rolle. „Das war dieser italienische Trainer“, entfährt es Ahmed aus dem Irak, mit 50 Jahren der älteste in der Runde. Giovanni Trapattonis Stilblüte scheint auch international ein Begriff geworden zu sein. tf

Ziemlich konzentriert. Nofah (links) und Hani versuchen, die Angebote deutscher Einwohnermeldeämter zu verinnerlichen. | Foto: Thomas Frey
Edelgard Singendonk-Spies und einige ihrer Schüler. Foto: Frey | Foto: Thomas Frey
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Thomas Frey aus Friedrichshain

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