4. COLOURS International Dance Festival
VIELFALT UND KREATIVITÄT
Von Anfang an war klar, dass COLOURS 2022 nicht umstandslos an die letzte Ausgabe 2019 anknüpfen würde. Um auf das Festival einzustimmen und die Verbindung zum Publikum wieder zu festigen, erhöhte Eric Gauthier die Schlagzahl beim vorgeschalteten Outdoor-Programm COLOURS in the City. Einen echten Treffer erzielte er mit dem neuen Format COLOURS Pop-Up, bei dem Gauthier als Tanzbotschafter drei Tage lang persönlich durch zehn Stadtteile tourte. Mit seinem Mercedes-Benz-„Tanzporter“ brachte er nicht nur rund 1.500 Menschen jeden Alters in Bewegung. Wichtiger war, dass Gauthier auf diese Weise ein neues und jüngeres Publikum begeisterte und auf COLOURS aufmerksam machte. Danach konnte der Start auf der Bühne kommen: insgesamt 17 Produktionen aus elf Ländern an fünf Spielstätten im Festivalzentrum Theaterhaus Stuttgart, darunter eine Uraufführung und fünf Deutschlandpremieren inklusive zwei COLOURS-Koproduktionen.
Viel Anerkennung gab es für die künstlerische Qualität des Programms, von der Presse, vom internationalen Fachpublikum ebenso wie von den Tanzfans aus der Region. Die Auslastung von 72 % liegt zwar unter den Werten der vergangenen Ausgaben, darf in diesen Zeiten aber als sehr stattlich gelten. Zumal COLOURS auf Vielfalt und inhaltlichen Anspruch setzt und neben Größen der zeitgenössischen Tanzszene auch spannende Newcomer präsentiert.
4. COLOURS International Dance Festival 2022
Das Festival. Die Bilanz.
Endlich wieder COLOURS! Das strahlende Sommerwetter und ein Programm, das künstlerisch keine Wünsche offen ließ, erzeugten auch diesmal den lange vermissten Festival-Groove. Als eines der ersten großen europäischen Tanzfestivals, die nach der Corona-Pause wieder durchstarteten, stand COLOURS naturgemäß im Fokus der Branche. Veranstalter aus Australien, Kanada, den USA, der Schweiz, Italien, Japan, Russland, Israel und Deutschland nutzten die Gelegenheit, interessante Produktionen wieder live in Augenschein nehmen zu können. Nicht selten erwies sich COLOURS dabei als echter Karriere-Katalysator. Das beste Beispiel: Sofia Nappi, die große Entdeckung der Ausgabe 2022. Mit ihrer Company Komoco und der Uraufführung IMA in Koproduktion mit COLOURS kam die erst 28-jährige Italienerin nach Stuttgart und erhielt noch am gleichen Abend drei Einladungen nach New York, Tel Aviv und Montréal.
Dass die teilnehmenden Companies dem Festival höchstes Lob zollten, lag aber nicht nur an den wertvollen professionellen Kontakten. Sie badeten geradezu im Applaus der ebenso warmherzigen wie sachkundigen Stuttgarter Tanzfans. Und so war nach den Shows die euphorische Stimmung im Theaterhaus-Biergarten geradezu mit Händen zu greifen, bei den Künstler*innen wie beim Publikum.
COLOURS 2022: Das Bühnenprogramm
Mit tänzerisch und inhaltlich starken Produktionen die Vielfalt des zeitgenössischen Tanzes abzubilden – das gelang einmal mehr COLOURS-Programmdirektor Meinrad Huber. Entsprechend leuchtete auch die vierte Ausgabe in den schönsten Farben. Es gab wahre Tanzfeste wie LOVETRAIN 2020 von Emanuel Gat Dance, Andonis Foniadakis’ Salema Revisited oder Dada Masilos The Sacrifice. Es gab physische Grenzgänge wie Josef Nadjs OMMA oder Set of Sets von GN | MC Guy Nader & Maria Campos. Es gab faszinierende surreale Bilderwelten wie bei La Veronal mit Marcos Moraus Sonoma, Muyte Maker von Flora Détraz / Compagnie Pli oder Bygones von Out Innerspace Dance Theatre. Es gab meisterhafte Ensemblestücke wie den Triple-Abend des Nederlands Dans Theater oder L-E-V mit Sharon Eyals und Gai Behars Chapter 3: The Brutal Journey of the Heart. Es gab warmherzige Tanzgeschichten wie pink unicorns von La Macana und die ultramoderne digitale Pixel-Tanz-Performance ANTI—BODY von Alexander Whitley. Es gab vom HipHop kommende, wilde junge Produktionen wie BLKDOG von Botis Seva – Far from the Norm und À mon bel amour von Cie par Terre / Anne Nguyen.
Äußerst aktiv beteiligt waren auch die Gastgeber von Gauthier Dance, die an fast jedem Festivalabend um 19:00 Uhr mit Ohad Naharins Tanzexplosion Kamuyot die Sporthalle rockten.
Ein kleines Wunder in diesen Tagen: Nur eine Vorstellung musste wegen Krankheit abgesagt werden: die Deutschland-Premiere und COLOURS-Koproduktion Father Politics von Muhammed Kaltuks Company MEK.
Aber auch in anderer Hinsicht ging die Mission des Leitungsteams in Erfüllung. Denn zu dessen großen Freude zog das Programm am Puls der Zeit auffällig viele, besonders junge Festivalbesucher*innen an, die erkennbar nie zuvor im Theaterhaus gewesen waren – und nun hoffentlich wiederkommen.
Stichwort Wiederkommen: Schon fest eingeplant ist die Rückkehr des ersten COLOURS-Residenzkünstlers Shahar Binyamini und damit der erste Programmpunkt für COLOURS 2023! Während drei intensiver Wochen arbeitete der israelische Choreograph mit acht jungen Tänzer*innen an der neuen Produktion More Than …, die in den kommenden Monaten weiterentwickelt und bei der fünften Ausgabe 2023 als Koproduktion zu sehen sein wird. Binyamini und sein Ensemble waren äußerst angetan von diesem Modell und stießen bei einem Showing und einer öffentlichen Probe bereits auf begeisterte Resonanz beim Publikum und teilnehmenden Veranstaltern.
Autor:Eichinger Franz aus Grunewald |
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