Ausstellung zeichnet wichtigste Stationen der DDR-Jugendkultur nach
"Punksein, das war eine Lebenshaltung", weiß Historiker Dirk Moldt. "Wir hatten ein anarchisches Weltbild. Allein schon das Aussehen der Punks war eine Provokation." Der 51-Jährige war in den 1980er-Jahren als Hippie-Punk in Ost-Berlin unterwegs, erinnert sich noch gut an Abende im Professor-Fischer-Haus, das Bier im "Leichenkeller", Tee im Jugendklub "Napf", Konzerte in der Erlöserkirche in der Nöldnerstraße. "In der Jugendkultur ging es um mehr als den Generationskonflikt", so Moldt. "Die Jugendlichen waren politisiert."
Allein die Unangepasstheit ließ sie schon mit den SED-Doktrin aneinandergeraten. 1957 formulierte der Zentralrat der FDJ, "ein junger Erbauer des Sozialismus zeichnet sich durch Treue zur Sache der Republik aus." Im Dienst dieser Sache standen auch kurze Haare, konventionelle Kleidung und nicht zuletzt konformes Verhalten. Wer sich widerspenstig gab, geriet zugleich auch immer in den Verdacht des politischen Widerstands. "Widerspenstig und widerständig - Jugendkultur in Lichtenberg von 1960 bis 1990" heißt deshalb auch die Ausstellung. Sie zeichnet nicht nur die Musik von der Beatszene über Sinti-Musik bis hin zum Punk nach, sondern auch, wie und wo die jeweilige Jugendkultur in Lichtenberg ausgelebt wurde. Dabei traten die Gruppen in vielfältiger Form auf, zuletzt wurden sie auch von Aktivisten der Gleichberechtigung für Frauen und Homosexuelle flankiert.
Wie schnell eine eher unpolitische Protestkultur von Jugendlichen mit der SED-Diktatur kollidierte, ist zu Beginn der Zeitachse in der Ausstellung abzulesen. So etwa entwickelte sich schon in den 1960er-Jahren der Fußgängertunnel am Lichtenberger Bahnhof zum bekannten Treffpunkt der Beatszene. Die "Langhaarigen" wurden dabei nicht nur von der Polizei angegangen. Auch viele Bürger fühlten sich durch das "rowdyhaftes Verhalten" der Jungen provoziert. "Die Gesellschaft in der DDR war extrem intolerant", weiß Dirk Moldt.
So bedeutete jugendlicher Protest oft auch den Ausschluss aus der Gesellschaft. Auflehnung mündete nicht nur im Fingerzeig der Nachbarn, sondern auch in herabwürdigende Bestrafung wie Zwangsarbeit, Überstellung in Umerziehungsheime oder Wegschluss in Gefängnissen. Eine Abweichung von der ideologisch festgelegten Norm wurde oft als "asoziale Lebensweise" verfolgt.
Mit so mancher Sache musste sich der Staat allerdings abfinden: "Irgendwann wurden selbst die Langhaarigen hoffähig", resümiert Moldt. Deshalb brachten Jugendliche Protest beispielsweise als Punks mit selbst gebastelten Ansteckern aus Bierflaschenkorken und bunte Haaren zum Ausdruck. Ende der 1980er-Jahre mündete dieser Protest schließlich auf die Straße und verschmolz mit der Bürgerbewegung in die friedliche Revolution. Doch der Beitrag der Jugendlichen bleibt bis heute zu wenig beachtet, findet Moldt. "Viele Jugendgruppen wirkten an der DDR-Opposition mit. Darunter die Alösa-Punks, die sich gegen den Wahlbetrug 1989 richteten." Die Geschichte ihrer Bewegung zeigt die Ausstellung anhand von Flugblättern, "Fanzines" und bemalten Stoffbahnen.
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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