„Der schönste Job der Welt“: Neujahrs-Interview mit Bürgermeister Michael Grunst

Michael Grunst ist seit gut einem Jahr im Amt und hält einen Rück- und Ausblick. | Foto: Berit Müller
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Der Jahreswechsel gilt als die Zeit für Resümees und gute Vorsätze. Welche Bilanz zieht Lichtenbergs Bürgermeister nach einem Jahr Amtszeit? Was hat er für 2018 auf der Agenda? Berliner-Woche-Reporterin Berit Müller traf Michael Grunst (Die Linke) zu einem Rück- und Ausblick.

Sie sind jetzt seit einem Jahr Bürgermeister von Lichtenberg, hatten vorher aber schon Erfahrungen in der Kommunalverwaltung – unter anderem als Jugendstadtrat in Treptow-Köpenick. Gibt es dennoch etwas, das Sie an Ihrem neuen Amt überrascht hat?

Michael Grunst: Erst einmal bin ich ja schon überraschend Bürgermeister geworden. Eigentlich war ich als Stadtrat nominiert. Und dann habe ich tatsächlich nicht damit gerechnet, dass dieses Amt noch weniger Freizeit erlaubt, als ihm nachgesagt wird. Das war schon eine Umstellung. Es macht aber sehr viel Spaß, sonst wär‘s auch nicht zu schaffen. Für mich ist es der schönste Job der Welt.

Obwohl Sie so gut wie keine Freizeit haben. Warum?

Michael Grunst: In Lichtenberg ist sehr viel in Bewegung, und so bin ich es auch. Hier bin ich aufgewachsen und lebe seit 1980 in dem Bezirk, den ich nun mitentwickeln und gestalten kann. Außerdem bekomme ich von den Menschen fast immer eins zu eins eine Rückmeldung, was passt und was nicht. Das gefällt mir.

Wenn Sie auf Ihr erstes Jahr zurückblicken – wie fällt Ihr Resümee aus, womit sind Sie zufrieden?

Michael Grunst: Eine persönliche Bilanz nach nur einem Jahr Amtszeit zu ziehen, ist nicht einfach. Politik, die behauptet, kurzfristig Veränderungen und Erfolge zu bewirken, ist nicht ehrlich. Vieles, das 2017 erfolgreich begonnen oder auch abgeschlossen wurde, hatte einen langen Vorlauf, wurde also vor meiner Zeit in die Wege geleitet. Und was wir jetzt angeschoben haben, wird sich wiederum erst in ein paar Jahren niederschlagen. Dazu zählt der Bau von zwei neuen Grundschulen, die im Jahr 2019 ans Netz gehen. Weitere Schulen werden neu gebaut und/oder saniert.

Ich bin sehr zufrieden mit der Tatsache, dass wir den Personalabbau gestoppt haben. Die langen Wartezeiten in den Ämtern dürfen wir den Menschen nicht länger zumuten. Wir haben nun über 100 neue Stellen geschaffen und einen Haushaltsplan für 2018/2019 aufgestellt, der die soziale Infrastruktur stärkt.

Gibt es etwas, über das Sie sich besonders geärgert haben?

Michael Grunst: Aktuell ärgert mich in Berlin eine gewisse herablassende Haltung gegenüber Bezirken oder Ortsteilen, die etwas außerhalb des S-Bahn Ringes liegen. Beispiel hierfür war für mich die Diskussion um den Regionalbahnhof Karlshorst.

Blicken wir voraus: Um welche Themen geht es 2018 in Lichtenberg besonders?

Michael Grunst: Vor allem müssen wir schleunigst die Infrastruktur unserem wachsenden Bezirk anpassen. Wir wollen 2018 bis zu 900 zusätzliche Kita-Plätze schaffen und nehmen als Bezirk selbst Geld in die Hand, um unseren Kita-Eigenbetrieb zu stärken. Nebenbei bemerkt: Wir könnten noch mehr Betreuungsplätze anbieten, wenn es genügend qualifizierte Erzieher gäbe. Eine wichtige Aufgabe ist außerdem die Entwicklung von Sportflächen. In Karlshorst gibt es bis heute keinen Sportplatz. Auch in die Verkehrsinfrastruktur wollen wir investieren und das Gewerbegebiet Herzbergstraße absichern. Natürlich geht es auch um bezahlbaren Wohnraum. Lichtenberg wird ein neues Bündnis für Wohnen gründen, in dem sich neben kommunalen Wohnungsbaugesellschaften auch private Eigentümer und Genossenschaften für bezahlbare Wohnungen engagieren.

Außerdem beginnen wir in Kürze mit den Stadtteildialogen, einem Forum zum direkten Austausch des Bezirksamtes mit den Lichtenbergern. Darin wollen wir direkt erfahren, was den Menschen am Herzen liegt, was sie sich wünschen, welche Probleme wir angehen müssen. Bürgerbeteiligung soll nicht nur bei Bauvorhaben eine Rolle spielen. Ich will einen intensiven Dialog mit den Menschen, denn sie sollen mitbestimmen und sich wohlfühlen.

In diesem Jahr will sich Lichtenberg das Siegel „familienfreundlicher Bezirk“ erneut sichern. Sind neue Vorhaben geplant?

Michael Grunst: Das uns verliehene Audit „Familiengerechte Kommune“ ist uns wichtig, weil es unseren Anspruch eines kinder- und familienfreundlichen Bezirks Lichtenberg abbildet. Familienfreundlich zu sein, heißt auch, die Alleinerziehenden zu unterstützen, von denen es in Lichtenberg sehr viele gibt. Wir denken darüber nach, künftig Ausbildungsplätze in Teilzeit anzubieten für Azubis, die alleinerziehend sind. Und wir stehen mit dem Jobcenter im engen Austausch, der helfen soll, Alleinerziehende in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Bezirk wird in allen 13 Lichtenberger Bezirksregionen Familienzentren errichten für niedrigschwellige Hilfs- und Beratungsangebote. In Hohenschönhausen startet zusammen mit einem freien Träger ein Modellprojekt der flexiblen Kinderbetreuung. Und auch das Bezirksamt muss mitziehen und als familienfreundlicher Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen. Wir richten jetzt in zwei Dienstgebäuden Familienzimmer ein, damit Mitarbeiter auch mal ihre Kinder mitbringen können, wenn die Kita geschlossen ist oder Unterricht ausfällt.

Die BLO-Ateliers, das HB 55 und nun auch das neue Projekt in der Gaswerksiedlung: Wie bewerten Sie als Kulturdezernent die wachsende Kunstszene im Bezirk?

Michael Grunst: Kunst und Kultur in Lichtenberg haben eine Dynamik, die mich natürlich freut, weil es unserem Bezirk gut zu Gesicht steht. Unsere Bibliotheken, das Museum Lichtenberg, das Kulturhaus Karlshorst, die vielen Galerien und die freie Szene sorgen für ein vielfältiges Angebot. Wir unterstützen das und haben die Mittel für die Kulturförderung verdreifacht. 2018 wird es wichtig sein, die Räume, die sich Kunst und Kultur in Lichtenberg erschlossen haben und nutzen, auch planungsrechtlich zu sichern.

Wo sehen Sie Lichtenberg in 20 Jahren?

Michael Grunst: Menschen aus aller Welt leben und arbeiten im familien- und kinderfreundlichen Bezirk, fühlen sich wohl und bestimmen die Geschicke Lichtenbergs mit. Mein größter Wunsch aber ist, dass es uns in den nächsten Jahren gelingt, dass weniger Menschen Transferleistungen beziehen müssen, sondern ein Einkommen haben, von dem sie in Würde leben können.

Sie sagen, dass Lichtenberg ein besonders schöner Bezirk ist. Haben Sie einen Lieblingsort, wenn Sie sich doch mal eine kleine Auszeit gönnen können?

Michael Grunst: Es gibt tatsächlich viele schöne Orte, besonders gern bin ich aber im Park am Ober- und Orankesee – vor allem im kleinen Biergarten am Wasserturm.

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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