Der 15-jährige Flüchtling Imam wartet seit zwei Jahren auf einen Rollstuhl

Der schwerbehinderte Imam wird von der Sozialarbeiterin Natalija Schönbrodt unterstützt. | Foto: Wrobel
  • Der schwerbehinderte Imam wird von der Sozialarbeiterin Natalija Schönbrodt unterstützt.
  • Foto: Wrobel
  • hochgeladen von Karolina Wrobel

Lichtenberg. Das AWO Refugium in der Rhinstraße ist eines der wenigen Flüchtlingsheime, in dem auch behinderte Menschen untergebracht werden können. Hier wartet der 15-jährige Imam seit zwei Jahren auf einen Rollstuhl.

In den langen Fluren des Plattenbaus ist viel los. Die Türen knallen, während Kinder durch die Gänge laufen. Hinter jeder der Türen wohnen Familien. Jede von ihnen hat eine schlimme Geschichte hinter sich.

So wie der 15-jährige Imam und seine Mutter Kisa Khachukaeva. Imam wird mit den anderen Kindern nie spielen können. Denn er leidet an einer spastischen Lähmung. Seine Arme und Beine sind gekrümmt und gelähmt, er kann nicht sprechen.

Seine Behinderung ist die Spätfolge einer Flucht vor dem Krieg in Tschetschenien, mit zehn Monaten erlitt Imam eine Gehirnhautentzündung. Das Rote Kreuz half der Familie damals und brachte sie aus der Nähe von Grozny in ein Krankenhaus nach Ossetien. Die Mutter kam nach Jahren der Flucht schließlich in Deutschland an.

Mit kleinen Gesten macht sich der Sohn seiner Mutter verständlich, Kisa Khachukaeva kümmert sich rund um die Uhr um ihn. Der Krach im hellhörigen Plattenbau löst bei dem Jungen epileptische Anfälle aus, dann kann selbst die Mutter nicht helfen, nur ein Notarzt. Seit zwei Jahren lebt Kisa Khachukaeva mit Imam und ihrer kleinen Tochter hier in der Rhinstraße. Ein Zimmer, in das drei Betten passen. Dazu eine Kochnische.

Behindertengerechte Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge sind in Berlin eine Seltenheit. "Imam ist ein Härtefall", sagt die Sozialarbeiterin und Sprachmittlerin Natalija Schönbrodt. "Er braucht besondere Hilfe." Seit zwei Jahren wartet Imam auf einen richtigen Rollstuhl für spastisch Gelähmte. "Im März 2013 haben wir einen ersten Antrag gestellt. Im November wurde der Antrag vom Landesamt für Gesundheit und Soziales abgelehnt." Für die Sozialarbeiterin Schönbrodt ist diese Ablehnung nicht nachvollziehbar, sie schaltete den Sozialdienst ein, der sich um besonders schutzbedürftige Flüchtlinge kümmert. Doch als die Sachbearbeiterin wechselte, war der Antrag nicht mehr auffindbar. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) ist überlastet. Die ärztlichen Gutachter, die über die Bewilligung von Rollstühlen für Flüchtlinge mitentscheiden, sind noch für vieles andere zuständig - etwa für Studenten, die Prüfungen wegen einer Erkrankung nicht ablegen können.

Flüchtlinge warten nicht nur Jahre auf Bewilligung von Asyl, behinderte Flüchtlinge warten gleichzeitig jahrelang auf einen Rollstuhl. "Der Stand des Asylverfahrens spielt dabei keine Rolle", sagt die Lageso-Sprecherin Silvia Kostner. Bekommt der Flüchtling endlich einen Rollstuhl, kann er bei Ablehnung des Asylantrags zurückgefordert werden. Bewilligt wird meist nur der Mindeststandard.

Imam braucht als Tetraspastiker aber mehr. Behinderte Kinder haben einen besonderen Anspruch, bestätigt auch das Lageso. In manchen Fällen werden ihnen sogar speziell angefertigte Prothesen bewilligt - nicht wenige Kinder sind Minenopfer. Doch dafür müssen auch sie zuerst den Weg der Bürokratie beschreiten, sich mehrfach ärztlich begutachten lassen. Und warten. Für Imam hat ein Sanitätshaus erst einmal einen Kinder-Buggy zur Verfügung gestellt - leihweise. "Er ist allemal besser als der Kinderwagen von Imams vierjähriger Schwester, den die Mutter bis dahin verwendet musste", sagt die Sozialarbeiterin.

Ob der spezielle Rollstuhl, eine Badeliege und die häusliche Pflege zur Unterstützung der Mutter bewilligt werden, ist unklar. "Am dringendsten brauchen wir aber eine Wohnung für diese Familie. Imam braucht Ruhe." Gerade die epileptischen Anfälle sind eine Belastung für die Familie. Doch die Warteliste ist lang.

Weitere Informationen gibt es unter www.awo-mitte.de.
Karolina Wrobel / KW
Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 406× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 1.110× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 771× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.224× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.117× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.