Ende nach 72 Jahren im Familienbesitz
Lutz Rademacher gibt seine Friedhofsgärtnerei ab
„Ich habe immer gesagt, Friedhofsgärtner werde ich nicht, denn dann muss ich ja auch sonntags arbeiten.“ Mit dieser Prognose lag Lutz Rademacher (59) gehörig daneben, denn seit mehr als drei Jahrzehnten ist er in genau diesem Beruf tätig. Zum 1. Januar 2019 hört er jedoch endgültig auf.
Nach insgesamt 72 Jahren im Familienbesitz gibt er die Leitung für sein Geschäft am Heidefriedhof in der Reißeckstraße dann an Markus Simon von der Friedhofsgärtnerei Simon in Zehlendorf ab. „Mein Vater hat 1946 mit Fahrrad, Spaten, Harke und Gießkanne angefangen“, blickt Lutz Rademacher auf die Anfänge zurück. Erst selbst ist seit 33 Jahren dabei. Nachdem er 1985 an der TU Berlin seine Ausbildung zum Garten- und Landschaftsarchitekten abschloss, übernahm er von seinem Vater gleich darauf das Geschäft. Seitdem hat sich sehr viel verändert.
„Der Friedhof hat heutzutage nicht mehr den Stellenwert, den er früher hatte“, erklärt er. Eine seiner Floristinnen, die seit Anfang der 90er für ihn arbeitet, sei zu Totensonntag damals ganz fasziniert von dem Menschenandrang gewesen. „Mein Vater stand nur hinter der Kasse und hat kassiert. Hier waren drei Floristinnen, die nur Blumensträuße verkauft haben, und draußen waren mein Bruder und meine Schwester, die Dauersträuße verkauft haben. Ich habe zwei Stunden lang nur Waren nach vorne gebracht. Heutzutage sind zwei Floristinnen da, die zwischendrin aber auch Leerlauf haben, und draußen gucke ich mal, wo etwas fehlt, und packe dann einzelne Sachen nach.“ Wie sich die Zeiten gewandelt haben, beweisen auch alte Rechnungen seines Vaters, die Lutz Rademacher irgendwann mal auf dem Boden fand. „Er hat damals für insgesamt 10 000 D-Mark Nelken aus Italien importiert. Wenn wir heutzutage in der Totensonntagwoche 60 Nelken verkaufen, sind wir schon ganz gut.“
Kontakt zu Menschen
Heute lebt sein Vater nicht mehr. Er wäre sonst bereits über 100 Jahre alt. Lutz Rademacher hat ihn auf dem Parkfriedhof Lichterfelde beigesetzt, auch das Grab gestaltet und den Steinmetz ausgesucht – „selbstverständlich“. Obwohl seine gestalterischen Fähigkeiten nach eigener Aussage nicht sonderlich ausgeprägt waren und er den Beruf anfangs nicht ausüben wollte, identifiziert er sich heute sehr damit. Der Kontakt zu den Menschen – bei manchen sei das Verhältnis fast schon familiärer Natur –, die vielen Farben und die Kreativität, die er ausleben könne, wenn die Kunden ihm freie Hand lassen, seien die Gründe, warum ihm seine Arbeit immer so gefallen habe. Dass er einen „grünen Daumen“ habe, würde Lutz Rademacher allerdings nicht von sich behaupten. „Fragen Sie mich nicht, wie die Pflanzen bei uns zu Hause aussehen. Dafür ist meine Frau zuständig“, erzählt er lachend.
Erdbeeren auf der Grabstelle
In so vielen Jahren als Friedhofsgärtner erinnert er sich auch an die eine oder andere kuriose Anekdote. „Es kam mal eine Dame, die eine Zwergfichte auf die Grabstelle gepflanzt haben wollte und außerdem eine Bepflanzung mit ganz normalen Erdbeeren, weil ihr Mann Erdbeeren mochte. Die Erdbeeren waren nicht das Problem. Als es dann aber dazu kam, diese Zwergfichte zu pflanzen, legte sie sich auf die Grabstelle und dirigierte diese so, dass der Schatten genau auf den Kopf des verstorbenen Mannes fällt, damit der nicht immer nur in der prallen Sonne liegt.“
Die Pläne werden Lutz Rademacher sicher nicht ausgehen, wenn er in ein paar Tagen in den Ruhestand geht. Er möchte dann seinen Sohn in Rheinland-Pfalz besuchen, der dort ein sinfonisches Orchester managt, und sich wieder verstärkt seiner Briefmarkensammlung widmen. Außerdem verreist er gern, zum Beispiel nach England. Bei früher bis zu 65 und heute noch bis zu 50 Arbeitsstunden die Woche bleibt ihm nun endlich mehr Zeit zum Genießen.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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