CDU geht trotz bestem Wahlergebnis aller Parteien wohl leer aus
Gordon Lemm (SPD) soll durch ein Fünf-Parteien-Bündnis zum Bürgermeister werden
Bei der Wahl zur neuen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 26. September war die CDU durchaus überraschend stärkste Partei. Wie es nun aussieht, dürfte die CDU-Spitzenkandidatin Nadja Zivkovic, bisher Stadträtin, dennoch nicht neue Bürgermeisterin werden.
Denn die SPD, mit 20,3 Prozent nur knapp hinter der CDU (20,8%) gelegen, arbeitet an einem Bündnis aus fünf Parteien, um ihren Spitzenkandidaten Gordon Lemm (bisher ebenfalls Stadtrat) zum Bürgermeister zu machen. Dafür müssen sich die Sozialdemokraten mit den Linken (19,9%) und Grünen (6,9%), der FDP (5,3%) sowie der erstmals in der BVV vertretenen Tierschutzpartei (5,0%) zusammenschließen. Gemeinsam kommen diese Fünf in der 55-köpfigen BVV auf 33 Sitze (zwölf SPD, elf Linke, vier Grüne, je drei FDP und Tierschutzpartei). 28 Sitze werden für eine Mehrheit benötigt. Die CDU wiederum, die genau wie die SPD auf zwölf Sitze kommt und ausgeschlossen hat, mit der AfD (zehn Sitze) ein Bündnis zu bilden, müsste sich mit FDP, Grünen, Tierschutzpartei und Linken zusammentun, um einen SPD-Bürgermeister zu verhindern.
Dazu dürfte es jedoch nicht kommen, denn SPD, Linke und Grüne führten bereits aussichtsreiche Gespräche „über die Bildung eines fortschrittlichen Bündnisses für soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung für Marzahn-Hellersdorf“, wie sie in einer gemeinsamen Pressemitteilung erklärten. Diese hätten demnach „in einer besonders vertrauensvollen Atmosphäre“ stattgefunden. Alle drei Parteien seien sich dessen bewusst, dass der Bezirk vor enormen Herausforderungen stehe. So müsse der Wohnungsneubau verträglich gestaltet werden, Schulplätze müssten schneller geschaffen, der Klimaschutz endlich ernst genommen und der Ausbau sicherer Fußwege, attraktiver Radwege sowie neuer Angebote bei Bus und Bahn vorangetrieben werden. „Alle drei Parteien eint die Auffassung, dass diese Aufgaben nicht gelöst werden können mit jenen Kräften, die Fortschritt bekämpfen und die Interessen der Großsiedlung gegen das Siedlungsgebiet gegeneinander ausspielen“, heißt es. Auch mit der Tierschutzpartei und der FDP seien gute Gespräche geführt worden. Bei der ersten Sitzung der neuen BVV am 4. November wird der neue Bürgermeister wohl noch nicht gewählt. Dies könnte sich noch bis Anfang Dezember hinziehen.
Als stärkste Kraft bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung hatte auch die CDU den Anspruch, mit ihrer bisherigen Stadträtin Nadja Zivkovic die neue Bürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf zu stellen. Dementsprechend enttäuscht zeigten sich die Christdemokraten und äußerten heftige Kritik an den anderen Parteien. „Das geplante Linksbündnis widerspricht einer seit vielen Jahren im Bezirk gelebten demokratischen Regel, dass die drei größten Parteien ideologiefrei und pragmatisch an einem Strang ziehen, um für die Menschen wichtige Projekte zu realisieren“, erklärten der CDU-Kreisvorsitzende in Marzahn-Hellersdorf und zukünftige Bundestagsabgeordnete Mario Czaja sowie Johannes Martin (ehemaliger Stadtrat), der als neuer Vorsitzender der CDU-Fraktion in der BVV auf Alexander Herrmann folgt, der wiederum ins Abgeordnetenhaus einzieht.
„Wir stehen für den Erhalt unserer grünen Innenhöfe statt maßloser Verdichtung, für eine ausgewogene Verkehrspolitik, die den Stadtrand nicht aus dem Blick verliert, und für neue Schulen, Kitas und Ärztehäuser sowie den Bau unseres Freibades. Die Wählerinnen und Wähler haben der bisherigen Innenstadtpolitik eine klare Absage erteilt und uns mehrheitlich das Vertrauen für einen Politikwandel ausgesprochen“, so Czaja und Martin. „Nun wird unsere Partei, die bei den Wahlen auf allen drei Ebenen klar gesiegt hat - mit dem Direktmandat für den Bundestag, drei gewonnenen Abgeordnetenhauswahlkreisen und als stärkste Kraft im Bezirksparlament - von linken Ideologen ausgegrenzt und an ihrem klaren Gestaltungsauftrag gehindert werden.“ Das sei eine „rein ideologisch geprägte Missachtung der zigtausenden Wähler, die die CDU in Marzahn-Hellersdorf in Verantwortung sehen wollen“. Sie seien „schockiert über so viel politische Unvernunft und Borniertheit seitens der örtlichen SPD und der Linken“.
Ganz anders dagegen ist die Stimmung bei der SPD. „Als eine der stimmstärksten Kräfte in der künftigen BVV sehen wir den Auftrag, Verhandlungen für ein starkes Bündnis mit einem Bürgermeister Gordon Lemm zu führen. Denn unser Ziel ist es, ein familienfreundliches und barrierefreies Marzahn-Hellersdorf für alle zu ermöglichen, das seine Interessen als Außenbezirk mit starker Stimme vertritt“, erklärte die SPD-Bezirksvorsitzende Iris Spranger. „In einem Bündnis neuer Mehrheiten sehen wir die Chance für einen Aufbruch, erkennen wir den Mut, Neues anzupacken. Wir wollen gemeinsam unseren Bezirk unter den sich verändernden Herausforderungen durch die Klimakrise und den Bevölkerungszuwachs lebenswerter gestalten“, so die Bündnisgrünen Julia Scharf und Pascal Grothe.
Auch die Linkspartei blickt optimistisch in die Zukunft, obwohl sie den Bürgermeisterposten eingebüßt hat. Eigentlich wollte Stadträtin Juliane Witt ihrer Parteikollegin Dagmar Pohle folgen, die am 15. Oktober ihren letzten Arbeitstag hatte und jetzt im Ruhestand ist. Stattdessen wird sie nun in den kommenden fünf Jahren als Stadträtin weitermachen. Die Delegierten der Linken in Marzahn-Hellersdorf sprachen ihr dabei das Vertrauen aus. Als Kandidatin der Linken für das Bezirksamt erhielt sie 100 Prozent Zustimmung. „Mit Juliane Witt als unserer Bezirksstadträtin werden wir den Fokus auf eine ökologische Stadtentwicklung setzen, die Neubau ermöglicht, aber Grünanlagen und den Charakter des Bezirks erhält“, sagte der Bezirksvorsitzende Kristian Ronneburg. Bis das neue Bezirksamt gewählt ist, hat Juliane Witt als dienstältestes Bezirksamtsmitglied die Leitung des Bezirksamts inne. Neuer Vorsteher der BVV soll ihr Parteikollege Steffen Ostehr werden.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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