Karl kommt wieder in die Mitte
Marx-Engels-Forum wird Grünfläche mit Spreebühne und Marx-Engels-Monument
Seit elf Jahren stehen die bärtigen Bronzekolosse versteckt in der Ecke an der Karl-Liebknecht-Brücke. In drei Jahren dürfen die Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels wieder zurück in die Mitte des 1986 gegenüber vom damaligen Palast der Republik für sie angelegten Marx-Engels-Forums.
Erichs Lampenladen ist lange weg, an seiner Stelle steht jetzt der Humboldt Forum genannte Schlossnachbau. In drei Jahren sollen die Urväter des wissenschaftlichen Kommunismus wieder an ihren Ort und Richtung Osten blicken – diesmal mit dem Stadtschloss im Rücken. Das drei Meter hohe Philosophen-Duo steht dann aber nicht mehr auf dem gepflasterten Rund, sondern auf einer Wiese. Auch die Marmor- und Bronzereliefs sowie die acht Edelstahlstehlen, die zum Denkmal gehören, sollen zurückkehren. So sieht es der Siegerentwurf der Bonner Landschaftsarchitekten vom Büro RMP Stephan Lenzen vor, die den Freiraumwettbewerb des Senats für das Rathausforum und Marx-Engels-Forum beidseitig der Spandauer Straße gewonnen haben.
Dass die Bronzegiganten in der Freifläche wieder integriert werden sollen, war Bedingung der Ausschreibung. Marx und Engels mussten 2010 weg, weil die BVG die Flächen für die U5-Baustelle brauchte. „Wir respektieren die DDR-Moderne und interpretieren sie neu“, sagt Architekt Sabelo Jeebe vom Siegerteam zur Rückkehr der Philosophen. Auch die anderen Teams, drei Berliner Büros auf den Plätzen zwei bis vier, hatten die DDR-Ikonen in ihren Plänen für das neue Marx-Engels-Forum berücksichtigt. Insgesamt wurden 53 Arbeiten eingereicht, von denen 21 in der zweiten Wettbewerbsphase mit Bürgerbeteiligung weiterentwickelt wurden. Klar war, dass die Freiflächen zwischen Fernsehturm und Spree nicht wieder bebaut werden, wie es nach mehreren Bürgerwerkstätten als Leitlinie vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde. Das Areal zwischen Fernsehturm, Rotem Rathaus, Marienkirche und Spree war Keimzelle Berlins und Jahrhunderte dicht bebaut. Das Stadtviertel wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach 1945 abgeräumt. Die DDR ließ auf dem Areal zwischen Nikolaiviertel und Hackeschen Markt das Marx-Engels-Forum errichten. Jahrelang gab es Forderungen von historischen Vereinen zur Rekonstruktion des historischen Stadtkerns. Die Diskussionen, den Neptunbrunnen wieder an seinem originalen Ort vorm Stadtschloss aufzustellen, gibt es immer noch.
Grüner Akzent
Berlins wichtigster Ort bleibt aber frei. „Wohl kein Ort in Berlin hat seit Ende des Zweiten Weltkrieges mehr Planungen und Kontroversen zu diesen Planungen erlebt, als dieser Ort zwischen Spree und Alexanderplatz“, sagt Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Er findet es richtig, dass Berlin „hier nach dem Fall der Mauer nicht überstürzt Planungen umgesetzt hat“. Einen „starken grünen Akzent für die Berliner Mitte“ nennt Bausenator Sebastian Scheel (Linke) den Siegerentwurf. Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) betont den Klimaeffekt. „Die Entscheidung, das Rathaus- und das Marx-Engels-Forum frei von Bebauung zu halten, ermöglicht eine zukunftsfähige Gestaltung“, sagt sie. „Mit viel Grün, mit Bäumen, die Schatten spenden, mit Wasser, das zur Kühlung beiträgt, aber auch mit Versickerungsflächen wird hier ein klimaresilienter Stadtraum geschaffen“, so die Senatorin. Juryvorsitzender Klaus Overmeyer nannte den Entwurf einen „Meilenstein für die Freiraumgestaltung der Berliner Mitte“. Der Ort habe „alle Chancen, zu einem Habitat für die Berliner Stadtgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu werden“.
Die Landschaftsplaner haben ein grünes Band entworfen, das sich vom Fernsehturm bis zur Spree zieht. Die komplette Achse wird begrünt – so werden auch die Flächen rund um den Neptunbrunnen entsiegelt. Links und rechts des Forums in der Mitte führen „Flanierbänder“, wie Chefplaner Sabelo Jeebe die Wege nennt, zur trichterförmigen Grünfläche am Spreeufer. Dort gibt es „eine grüne Treppenanlage mit Sitzstufen“, erklärt Jeebe. Die Freifläche am Ufer gegenüber der modernen Ostfassade des Humboldt Forums bekommt Wasserfontänen. „Der Bereich kann auch als Bühne bespielt werden“, so Jeebe. In den Seitenbereichen mit vielen Bäumen gibt es Sport- und Spielplätze. Vor dem Roten Rathaus ist eine Freifläche als „Forum der Demokratie“ für Veranstaltungen und Demos geplant.
Um das Rathausforum mit dem Marx-Engels-Forum besser zu verbinden will der Bezirk die breite Spandauer Straße autofrei oder zumindest verkehrsberuhigt machen. Konkrete Pläne gibt es dazu noch nicht. Die preisgekrönte Freiflächengestaltung soll 2024 fertig sein. Der Senat will die Wettbewerbsarbeiten demnächst ausstellen.
Denkmal für Vordenker
Das Marx-Engels-Forum wurde am 4. April 1986 eingeweiht. Es gab bereits Anfang der 1950er-Jahre Pläne, ein Marx-Engels-Denkmal im Zentrum Ostberlins aufzustellen. Geschaffen wurden die überdimensionalen Bronzefiguren vom Bildhauer Ludwig Engelhardt. Die gesellschaftskritischen Vordenker stehen in einer kreisrunden Fläche von 60 Metern Durchmesser. Jede Figur wiegt etwa zwei Tonnen. Die riesigen Hände von Marx sind völlig blank gescheuert, weil sich jeden Tag Touristen auf seinen Schoß setzen und mit dem bärtigen Philosophen fotografieren lassen. Hinter der Skulptur steht ein fünfteiliges Marmorrelief mit dem Titel „Alte Welt" von Werner Stötzer. Vor den Figuren reihen sich vier Doppelstelen aus Edelstahl, auf denen Dokumentarfotos aus Geschichte und DDR-Gegenwart der Arbeiterbewegung von Arno Fischer und Peter Voigt in einem Elektroerosionsverfahren in die Stelen eingearbeitet wurden. Zwei doppelseitige Bronzereliefs von Margret Middell bilden den Vordergrund des Ensembles. Sie heißen „Die Würde und Schönheit freier Menschen“.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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