Berlins Bürgermeister Michael Müller nahm die Einweihung vor
Originaler DDR-Fluchttunnel jetzt für Besucher geöffnet

Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Dietmar Arnold, Vorsitzender des Vereins Berliner Unterwelten eröffneten den Besuchertunnel feierlich (v. l. n. r.). | Foto: Christian Schaffeld
5Bilder
  • Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Dietmar Arnold, Vorsitzender des Vereins Berliner Unterwelten eröffneten den Besuchertunnel feierlich (v. l. n. r.).
  • Foto: Christian Schaffeld
  • hochgeladen von Christian Schaffeld

140 Menschen verloren zwischen den Jahren 1961 und 1989 als so genannte "Mauertote" ihr Leben. Im Laufe der immer stärker werdenden Überwachung durch die Staatssicherheit (Stasi) und der Trennung vieler Familien wollten immer mehr Menschen dem kommunistischen Regime der DDR entkommen und in den Westen fliehen. Viele riskierten dafür ihr Leben. Die wohl bekannteste Rolle spielten dabei die unzähligen Fluchttunnel im Bereich der Bernauer Straße. Ein solcher original erhaltener Tunnel ist seit Donnerstag vom Verein Berliner Unterwelten für Besucher öffentlich zugänglich gemacht. 

"Es ist ein Ort der Freiheit", sagte Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller bei der feierlichen Eröffnung am Donnerstag. Obwohl aus dem jetzt öffentlich zugänglichen Tunnel nie eine Flucht geglückt ist, steht er als Symbol für die geglückten Tunnelfluchten. Doch wie kam es überhaupt dazu?

Mauerbau wurde am 15. Juni 1961 beschlossen

Nachdem immer mehr Menschen aus der DDR flüchteten, beschlossen Nikita Chruschtschow (KPdSU) und SED-Chef Walter Ulbricht in einer Konferenz am 1. August 1961 den Bau der Mauer. Und das obwohl letzterer noch auf einer Pressekonferenz am 15. Juni 1961 einen Mauerbau kategorisch ausschloss. "Der Staat wollte die Souveränität seines Territoriums demonstrieren und der Bevölkerung jegliche Freizüglichkeiten untersagen", sagte Professor Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer. "Um die Flüchtlingswelle zu stoppen, sperrte man die Menschen mit der Mauer ein." Quasi mit Beginn des Mauerbaus starteten auch die ersten Fluchtversuche durch einen Tunnel. 

Frau gelang Flucht mit Baby

Eine Geschichte kam Müller dabei sofort in den Kopf. "Es ist einer Frau mit einem Baby gelungen, durch einen Tunnel zu flüchten. Der Vater im Westen hat sein Kind dadurch zum ersten Mal gesehen."
Aber es gab auch die andere Seite, wie beim Fluchttunnel 70/71. "Zu der traurigen Geschichte des Tunnels gehört auch, dass die 17 Personen die den Tunnel gebaut haben, im Gefängnis gelandet sind", merkt Klausmeier an.

300.000 Euro investiert

Sichtlich berührt bestaunten die geladenen Gäste bei der Eröffnung den Tunnel. Seit September 2017 hat der Verein Berliner Unterwelten rund 189 Kubikmeter (334 Tonnen) Mergelboden bewegt, um für Besucher einen Tunnel zu bauen, der zu einem originalen Fluchttunnel führt. Dafür hat der Verein nach eigenen Angaben weit über 300.000 Euro für Baumateralien und notwendige Genehmigungen aufgebracht. 

Bau startete im Herbst 1970

Alleine das zeigt, wie aufwendig der damalige Bau des Fluchttunnels gewesen sein muss. "Wir haben im Herbst 1970 mit dem Bau angefangen. Es waren statische Vermessungen notwendig wegen der zum Teil viergeschossigen Gebäude, die wir untergraben mussten", erklärte Fluchthelfer Ulrich Pfeifer, der maßgeblich an der Umsetzung des Tunnels beteiligt war.

Tunnel 29 wurde durch Wasser zerstört

Sein Vorteil: Er wusste durch bereits gescheiterte Tunnelprojekte, was es zu beachten galt. "Der Tunnel 29 war nur 4,5 Meter tief. Durch einen Wasserrohrbruch wurde er zerstört." Also musste der Tunnel tiefer werden. Der Bereich rund um die Bernauer Straße bot gute Voraussetzungen für einen Tunnelbau, da er sehr Lehm lastig ist und somit sehr stabil - so lange er nicht feucht wird.  "Wir gruben also tiefer, um eine Setzung zu verhindern", so Pfeifer. 115 Meter sollte der Tunnel lang und neuen Meter tief sein, und im Keller der Brunnenstraße 137 starten. Ziel war das zweite Haus hinter dem Grenzstreifen, die ehemalige Berliner Oswald-Brauerei auf der Brunnenstraße 142 

Tunnel durch Ultraschallgeräte entdeckt

Doch da kamen die "Tunnelgräber" nie an. Der Tunnel wurde nach 105 Metern, also zehn Metern vor dem Ziel von der Stasi mit Hilfe von Ultraschallgeräten entdeckt. "Die Sache war somit geplatzt und die Arbeit umsonst", sagte Pfeifer noch immer sichtlich gekränkt. Am 25. und 26. Februar 1971 wurde der Tunnel nach neun wöchiger Bauzeit dann durch Grenzsoldaten geöffnet und zerstört. Die 17 fluchtwilligen Personen wurden daraufhin verhaftet. 

Fast 50 Jahre später für die Öffentlichkeit zugänglich

Heute, fast 50 Jahre später, ist dieser Teil deutscher Geschichte dank des Vereins Berliner Unterwelten für Besucher öffentlich zugänglich gemacht worden. "Ich finde es toll, dass man das durch das Engagement des Vereins jetzt erleben kann", sagte Bürgermeister Michael Müller abschließend.

Führungen werden ab sofort angeboten:

-> Der Einstieg in den 2,05 Meter hohen und rund 30 Meter langen Besuchertunnel erfolgt bei den Führungen in etwa 7,5 Metern Tiefe im historischen Gewölbe der früheren Oswald-Brauerei in der Brunnenstraße 143.
-> Dank seiner komfortablen Höhe können die Besucher aufrecht laufen und müssen nicht, wie früher Flüchtende und Fluchthelfer, kriechen oder auf Knien rutschen.
-> Die Anlagen sind aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht barrierefrei.
Kinder unter 7 Jahren können an dieser Tour nicht teilnehmen!
-> Die Tour richtet sich von Inhalt und Anspruch an ein erwachsenes Publikum und wird vom Verein Berliner Unterwelten für Jugendliche frühestens ab der zehnten Klasse empfohlen.
-> Der Eintrittspreis beträgt 15 Euro (ermäßigt 12 Euro).

Autor:

Christian Schaffeld aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.798× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 2.139× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.752× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.661× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.