Stadtspaziergang
Dieses Mal wird die Gegend rund um die Klosterstraße erkundet

U-Bahn-Ausgang zum Stadthaus. | Foto: Bernd S. Meyer
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  • U-Bahn-Ausgang zum Stadthaus.
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Zu meiner 216. monatlichen Tour lade ich Sie an den Parochial-Kirchhof ein. Irgendwie erinnert geneigte Asterix-Comic-Kenner die Klosterstraßen-Gegend wegen ihrer Lage an jenes abgeschiedene gallische Dorf im Jahre 50 v. Chr., wo Asterix und Obelix umringt von römischen Heerlagern zugange waren. Wir aber befinden uns im zwölften Monat des Jahres 23 im dritten Jahrtausend n. Chr. Ganz Alt-Berlin ist von Baustellen besetzt? Nein! Diese unscheinbare Straße mittendrin liegt stille da, auch wenn ganz in der Nähe Wolkenkratzer emporschießen, weite abgeräumte Flächen längst nervös auf Planentscheidungen warten.

Doch die Bauleute ringsum haben kein leichtes Leben, manchmal senkt sich unter dem nahen Alexanderplatz - oh Schreck - ein 110 Jahre alter U-Bahntunnel, mal entdecken begeisterte Archäologen nur drei Meter tief unter Stralauer Straße und Molkenmarkt einen sehr wertvollen uralten Bohlendamm, beinahe halb so alt wie jenes abgelegene Dorf, in dem zu Römerzeiten der Lange und der Dicke gelebt haben sollen.

Geschäftshaus in der Klosterstraße 64. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Geschäftshaus in der Klosterstraße 64.
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Doch Berlins Klosterstraße war nie Dorfstraße, liegt sie doch nur wenige Dutzend Schritte vom über 800-jährigen Molkenmarkt entfernt, dem man sein wahres Alter nicht ansieht. Der Straße selber kann man ihr Alter durchaus noch ansehen, denn die Franziskaner-Klosterkirche ragt hier seit Ende des 13. Jahrhunderts in den Himmel, wenn auch nur noch als gesicherte turmlose Ruine. Laut erhaltener Urkunde von 1290 hatte ein Ritter zu Nybede den „minderen Brüdern“ - also den Berliner Franziskanern - am Tempelhofer Berg (dem heutigen Kreuzberg) eine Lehmgrube geschenkt, wo dann wohl auch die haltbaren Klosterziegel gebrannt worden sind.

Der Parochialkirchhof mit seinen gusseisernen Kreuzen. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Der Parochialkirchhof mit seinen gusseisernen Kreuzen.
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Gleich nebenan fand man nach 1945 zwischen Waisen- und heutiger Littenstraße unter den Trümmern Teile der Mittelaltermauer Berlins. Als um 1660 die barocke Festung um Berlin hier weiter nach draußen kam, durften an der alten Mauer beiderseits Häuser stehen. Vier davon sind Anfang der 1960er-Jahre an der Waisenstraße neu errichtet worden – als Gaststätte „Zur Letzten Instanz“. Nun entdecken wohlhabende japanische Touristen den Geschmack hiesigen Biers und Geheimnisse der Berliner Traditionsküche - etwa Eisbein mit Erbspüree.

Klosterkirche und Landgericht. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Klosterkirche und Landgericht.
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Die armen Bettelmönche hielten unter der Adresse „Gegen dem Kloster“ noch bis zur Reformation durch, es folgten dort Apotheke und Druckerei und bald das Gymnasium zum Grauen Kloster. Hier gingen viel später auch Schadow, Schinkel und Bismarck zur Schule. Wussten Sie, dass die Klosterstraße viele Jahrzehnte als die vornehmste des alten Berlins galt? Das wiederhergestellte Palais Podewils erinnert daran, wie auch die Parochialkirche, ebenfalls um 1700 in preußisch-schlichtem Barock als Gotteshaus für Berlins Calvinisten („Reformierte“) erbaut.

Der Eingang zum Palais Podewils. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Der Eingang zum Palais Podewils.
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Das waren vor allem Angehörige des kurfürstlichen, dann königlichen Hofes wie andere maßgebliche Bürger. Nach dem Krieg wurde die Parochialkirche 1953 denkmalsgerecht vereinfacht wiederhergestellt. Den Turmaufsatz mit Kupferverkleidung bekam sie erst vor wenigen Jahren zurück, wie auch das erneuerte, im Jahre 2016 geweihte Glockenspiel, nach großen Spenden-Sammelaktionen des Vereins "Denk mal an Berlin" und dessen Gründer, dem 2019 verstorbenen Werbeunternehmer Hans Wall. Große Teile des alten Kirchhofs sind erhalten, stehen samt Dutzender Grabkreuze aus preußischem Eisenguss wie auch zweier Mausoleen unter Denkmalsschutz. Nach erhaltenem Register gehörten zu den hier Beigesetzten auch der „Königl. Cammer-Türcke Herr Friederich Aly“, der im Alter von 52 Jahren am 9. Dezember 1716 verstarb. Seine Ehefrau Sophie Henriette, die einstige Türkin „Marusch“, ebenfalls im calvinistischen Ritus getauft, war schon im April des Jahres entschlafen.

U-Bahn-Wagen von 1910 auf dem Bahnsteig der U2. | Foto: Bernd S. Meyer
  • U-Bahn-Wagen von 1910 auf dem Bahnsteig der U2.
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Gleich neben Kirchhof und Kirche herrscht schon lange direkt unter der Klosterstraße reges Treiben: Hier hält seit 1912/13 die heutige U2. Vom Bahnsteig sollte ein weiteres Gleis Richtung Frankfurter Allee führen, doch bekam dann 1930 die heutige U5 eine andere Streckenführung. So blieb anstatt mittiger Gleise ein überbreiter Bahnsteig übrig. Guter Grund Berliner Nahverkehrsgeschichte zu zeigen. 1986 kamen an beide Seitenwände, die derzeit saniert werden, große Emaille-Bildtafeln vom Schilderwerk Beutha, detailreich in Farbe dargestellte Fahrzeuge, so auch der Stromschienen-Versuchstriebwagen der Kgl. Preußischen Eisenbahnverwaltung, ab Juli 1903 im Regelbetriebstest auf der Lichterfelder Vorortbahn zwischen Potsdamer Bahnhof und Groß-Lichterfelde Ost eingesetzt.

Ansicht von Neu-Westend im U-Bahnhof Klosterstraße. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Ansicht von Neu-Westend im U-Bahnhof Klosterstraße.
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Jener Originalwagen der Schöneberger U-Bahn von 1910, der zwischen den Treppenaufgängen postiert wurde, wechselte vor dem Einbau des Personenaufzugs vom Nord- zum Südausgang. Der Bahnhof steht komplett unter Denkmalsschutz, auch wegen der Bildwerke in den Zwischengeschossen, die im Nordausgang alte Klosterstraßenansichten zeigen und im Südausgang zweierlei: nämlich große erhaltene Originalbilder aus der Bauzeit des Bahnhofs und Ansichten vierer damals vorstädtischer U-Bahn-Ziele - Südgelände Schöneberg, Neu-Westend, Kolonie Dahlem, Neu-Tempelhof. Die Wandfliesen mit Nachbildungen babylonischer Palmen hat damals Kaiser Wilhelm II. persönlich beschafft: Aus seinem Sommersitz dem ostpreußischen Cadinen (dem heutigen Kadyny), wo er die „Königliche Majolikawerkstatt“ förderte.

Die Wandfliesen mit Nachbildungen babylonischer Palmen hat damals Kaiser Wilhelm II. persönlich beschafft. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Die Wandfliesen mit Nachbildungen babylonischer Palmen hat damals Kaiser Wilhelm II. persönlich beschafft.
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James Simon, Kaufmann und Mäzen (Nofretete!), hatte sein Kontor in der Klosterstraße. Der Vertraute des Kaisers unterstützte auch die langwierige Rekonstruktion der Babylonischen Mauern vom Palast des Königs Nebukadnezar II. im Vorderasiatischen Museum mit großen Summen. Wenige Jahre vor dem damaligen U-Bahn-Bau hatte der Baulärm auch überirdisch getobt. Zuerst sind ganze Straßenzüge des Klosterviertels abgerissen worden, dann entstand hier das Stadthaus, mit rund 11.000 Quadratmeter um ein Drittel größer als das Rote Rathaus, das längst aus den Nähten platzte. Ludwig Hoffmann plante es in unauffälligem Steingrau und nahm sich für den 80-Meter-Turm über dem Repräsentationseingang Jüdenstraße einen der beiden vom Gendarmenmarkt zum Vorbild. Zur Bekrönung setzte sein damaliger Leibbildhauer Ignatius Tauschner die römische Glücks- und Schicksalsgöttin Fortuna auf die Kuppel. Sie fehlte dann jahrzehntelang, ist aber bei der sehr gründlichen Erneuerung des Hauses von einer Kopie ersetzt worden. So schwebt weit oben über der so ruhigen Klosterstraße eine römische Zeitgenossin der Gallier Asterix und Obelix.

Der Spaziergang beginnt am Sonnabend, 9. Dezember, um 11 Uhr auf dem Bahnsteig des U-Bahnhofs Klosterstraße. Die Tour wiederhole ich am 16. Dezember um 14 Uhr. Die Teilnahme kostet dann aber neun, ermäßigt sieben Euro. Anmeldung dafür unter Tel. 442 32 31.

Die Führung am 9. Dezember ist für Leser der Berliner Woche und des Spandauer Volksblatts kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung erforderlich: Am Dienstag, 5. Dezember, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 73 02.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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