Häftlinge der JVA Moabit rocken in der Band "Big Buddys"

Orchesterleiterin Sandra Weckert reißt die harten Jungs aus der JVA mit. | Foto: KEN
  • Orchesterleiterin Sandra Weckert reißt die harten Jungs aus der JVA mit.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Moabit. Applaus, Pfiffe, Zurufe schallen durch die große Halle. Dann hebt Sandra Weckert einen Arm. Die 18 Männer oben auf der Bühne greifen zum Mikrofon, zu ihren Instrumenten, zu E-Gitarren, Posaunen, Saxofonen und in die Tasten des Keyboards. Der Schlagzeuger gibt den Takt vor - und los geht es mit dem Song "T.N.T" von AC/DC.

Es wird gerockt, dass die Wände des alten Backsteinbaus zittern. Die Stimmung unter den 110 Zuhörern ist bereits nach wenigen Takten am Siedepunkt. Große Hits der Eagles, Rolling Stones, von Red Hot Chili Peppers, Queen, Rio Reiser, Neil Young, Joe Cocker und Bob Marley erklingen. Doch dies ist kein gewöhnliches Rockkonzert. Die "Big Buddys" - die "großen Kumpel" - auf der Bühne sind "harte Jungs", Straf- und Untersuchungshäftlingen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit, die für die anderen harten Jungs unten vor der Bühne spielen.Unter dem Motto "Auf die Pauke statt auf die Fresse" hat die Musikerin und Komponistin Sandra Weckert sechs Wochen lang mit den Strafgefangenen im Alter zwischen 22 und 40 Jahren ein musikalisches Programm einstudiert. Die Probezeiten in kleineren Einheiten mussten in den streng reglementierten und durchstrukturieren Gefängnisalltag eingebaut werden.

"Es war ein wildes Auf und Ab", sagt Rosemarie Dorsch-Jäger, Sozialpädagogin in der JVA Moabit. "Die meisten von ihnen haben zuvor noch nie ein Instrument in der Hand gehabt." Die harten Kerle mussten nicht nur den richtigen Ton treffen oder die richtige Saite anschlagen, sie mussten vor allem Teamgeist entwickeln und lernen Rückschläge einzustecken und Fortschritte der anderen zu akzeptieren.

Jusitzvollzug solle in erster Linie den Menschen dienen, meint Sandra Weckert. Trotz Straftat, und sei sie noch so schlimm und tragisch, handele es sich bei den Gefangenen wie bei allen anderen Menschen auch um Persönlichkeiten mit Begabungen. "Es gibt eine andere Seite der Gefangenschaft und des Gefangenseins. Die andere, nicht kriminelle Seite soll besonders betont und gefördert werden", erklärt die Künstlerin. Ein Weg, die andere Seite im Menschen zum Klingen zu bringen, sei eben die Musik.

Das wird auch während des Konzerts deutlich. Die Musiker sind konzentriert, legen gelungene Soli hin, gehen mit dem Rhythmus mit und strahlen am Ende über das ganze Gesicht. Dafür hat Sandra Weckert ihr Big-Band-Projekt entwickelt: für Topmanager, Führungskräfte und Mitarbeiter von Unternehmen, Lehrer, Problemschüler - und Strafgefangene. Sie will Menschen durch Musik und die Zusammenarbeit in einem Orchester positive Erfahrungen vermitteln und ihnen ihre Stärken, Neigungen und Talente aufzeigen. "Das Leben erfordert selbstbewusste Persönlichkeiten", so Sandra Weckert. Und ein Orchester funktioniere wie eine Gesellschaft, in der jeder eine bestimmte Aufgabe habe. "Nur gemeinsam und miteinander wird das gewünschte Ziel erreicht: ein wohlklingendes Musikstück, das dem Publikum gefällt."

Das Projekt von Sandra Weckert wurde von der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz und der JVA Moabit unterstützt. Am Ende des gut einstündigen Konzerts tobt der Saal. Zwei Zugaben müssen die "Big Buddys" noch geben. Danach kehrt wieder der Knastalltag ein im ehemals königlichen Untersuchungsgefängnis Moabit.

Karen Noetzel / KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 232× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 198× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 582× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.174× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.