"Nicht aus Angst schweigen": Seyran Ates hat in Berlin eine offene Moschee gegründet
Berlin. Die Berliner Anwältin und Friedensaktivistin Seyran Ates hat in Moabit die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee eröffnet. Mit dem Gotteshaus will sie ein Zeichen gegen den Extremismus setzen und eine Plattform für den moderaten Islam bieten. Dafür erhält sie viel Zuspruch, aber auch Drohungen.
Die Idee kam Seyran Ates während ihrer Zeit als Mitglied der deutschen Islamkonferenz von 2006 bis 2009. Dort musste sie die Erfahrung machen, dass Vertreter des modernen Islam als Nicht-Muslime angefeindet wurden. „Das hat mich davon überzeugt, dass sich die moderaten Muslime organisieren müssen“, sagt sie. Doch von der Idee bis zur Eröffnung der Moschee war es noch ein weiter Weg, denn viele interessierte Mitstreiter sprangen aus Angst vor Angriffen ab.
Auch für Seyran Ates, die 1984 bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt wurde, ist es nicht leicht, mit den Drohungen umzugehen. „Es ist aber immer noch besser, seine Meinung zu äußern als aus Angst zu schweigen“, davon ist sie überzeugt. Mit Hilfe von Gründungsmitgliedern wie der Schweizer Politologin Elham Manea und dem Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi gelang es ihr, das Vorhaben in die Tat umzusetzen: Am 16. Juni 2017 wurde die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee als gemeinnützige GmbH in Räumen der evangelischen Johanniskirche in Moabit eröffnet.
Der Besuch des Gotteshauses steht Angehörigen aller Religionen und Ausrichtungen des Islam, aber auch Atheisten offen. Es herrscht keine Kopftuchpflicht. „Wir nehmen die Religionsfreiheit sehr ernst“, sagt Seyran Ates. Für diesen offenen Ansatz wurde sie hart kritisiert, etwa vom Amt für religiöse Angelegenheiten in der Türkei oder der Fatwa-Behörde in Ägypten. Das und der Vorwurf, der Gülen-Bewegung nahezustehen, stößt ihr sauer auf: „Es wird politisch argumentiert, warum nicht theologisch?“
Seyran Ates hat mit der Moschee noch viel vor. Mit Freude blickt sie auf die wachsende Gemeinde und die positiven Rückmeldungen aus aller Welt. Für ihre Arbeit hat die Moschee bereits zahlreiche Spenden erhalten mit dem Verwendungszweck „Für den Frieden“ – und das von Christen, Juden, Atheisten und Muslimen. „Es gibt unzählige Menschen, die das, was wir praktizieren, bereits im Geheimen, privat oder öffentlich leben“, sagt Seyran Ates. „Diese Menschen wollen wir einladen.“ So wie den homosexuellen Imam Ludovic-Mohamed Zahed.
Das ist schon viel, aber Seyran Ates will noch mehr. Sie träumt von einem eigenen großen Gebäude und der Eröffnung einer Akademie, in der Imaminnen und Imame ausgebildet werden. Auch sie selbst möchte Imamin werden und in Kürze mit dem Studium der Islamwissenschaften beginnen. Für die Moschee erwartet sie sich eine große Signalwirkung: „Wir hoffen, dass unter dem Dachverband der säkularen Muslime noch mehr liberale Moscheen in ganz Europa entstehen“, sagt sie.
Sie will mit ihrer Gemeinde Ansprechpartner für die Politik werden. Dafür hat sie auch die Bürgerinitiative Stop Extremism mitbegründet, um Unterschriften für den Kampf gegen den „Extremismus jeder Couleur“ zu sammeln und die Europäische Kommission zu mehr Einsatz für den Frieden zu bewegen. Ihr Wunsch ist, „dass Konservative und Liberale Schulter an Schulter gegen den Islamismus vorgehen“. Begleitend zu ihrem Engagement hat sie das Buch „Selam, Frau Imamin: Wie ich in Berlin eine liberale Moschee gründete“ geschrieben, das im Ullstein Verlag erschienen ist. sr
Autor:Stefanie Roloff aus Friedenau |
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