Bezirksverordnete wollen Umbenennung der Wissmannstraße erreichen
Schon seit einigen Jahren wird über eine Umbenennung der Wissmannstaße diskutiert. Nun hat die Mehrheit der Bezirksverordneten das Bezirksamt aufgefordert, die Sache aktiv anzugehen.
Mit den Anwohnern soll „im Rahmen eines Dialogprozesses eine geschichtliche Aufarbeitung des Straßennamens“ stattfinden – mit dem Ziel der Umbenennung, heißt es im beschlossenen Antrag.
Hintergrund: Hermann von Wissmann (1853-1905) war Reichskommissar und Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, das die Gebiete des heutigen Tansania, Burundi, Ruanda und einen kleinen Teil Mosambiks umfasste. Er hatte den Auftrag „geordnete politische Verhältnisse“ in die Kolonie zu bringen und war dafür verantwortlich, dass die deutsche Armee viele Einheimische massakrierte, die sich gegen die fremden Herren zur Wehr setzten.
Selbst andere Offiziere beschrieben Wissmanns Kriegsführung als barbarisch, auch im Reichstag wurde er damals von einigen für seine Grausamkeit kritisiert.
Den Antrag auf Umbenennung hatte der SPD-Verordnete Bijan Atashagahi gestellt. Die Neuköllner Grünen, die sich schon seit langem dafür einsetzen, den Namen Wissmann aus dem Straßenbild zu tilgen, schlossen sich an, die Linken ebenso. Bislang hatten sich die Sozialdemokraten zögerlich gezeigt und argumentiert, den Anwohnern entstünden bei einer Namensänderung hohe Kosten.
Jochen Biedermann (Bündnis 90/Die Grünen), Stadtrat für Stadtentwicklung, Soziales und Bürgerdienste, hält dieses Argument für nicht stichhaltig. Die Zeiten, in denen etliche Menschen teures Briefpapier mit Adressaufdruck besaßen, seien vorbei, sagt er. Komme es zur Umbenennung, wolle er auch dafür sorgen, dass die Umstände für die Anwohner im Rahmen blieben. Beispielsweise könnten Bezirksamtsmitarbeiter mit einem mobilen Bürgeramt vor Ort sein, damit die Änderung von Dokumenten unkompliziert vonstatten gehe.
Doch so weit ist es noch nicht. Jetzt soll erst einmal mit den Anwohnern gesprochen werden. Direkt betroffen sind Mieter von knapp 40 Häusern, einige Inhaber von kleinen Läden und der Gebäudekomplex der „Werkstatt der Kulturen“, in der auch eine Kita ihren Sitz hat. Treffen die Umbenennungspläne überwiegend auf Zustimmung, wird gemeinsam nach einem neuen Namensgeber gesucht. Oder einer Namensgeberin. Geht es nach den Bezirksverordneten, soll die Ehrung einer Frau zuteil werden, die in Neukölln gelebt beziehungsweise gewirkt hat oder einen Bezug zum Thema Anti-Kolonialismus besaß.
Übrigens haben bereits einige Städte ihre Wissmannstraßen unbenannt, in der DDR schon in den 1950er-Jahren, in Erfurt, Leipzig und Frankfurt/Oder. Die Bochumer machten 1998 Schluss mit der Erinnerung an den Kolonialherren und knapp zehn Jahre später auch Stuttgart-Stammheim. Hannover beließ es zwar bei dem Namen, ehrt aber damit heute den im Konzentrationslager ermordeten Kommunisten Hermann Wissmann, wie eine Zusatztafel am Straßenschild erklärt.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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