Zum 12. Todestag wurde Flagge für die ermordete Deutsch-Türkin vor dem Rathaus gehisst
Neukölln. Eine Fahne wurde am 7. Februar auf dem Rathaus-Vorplatz gehisst. Sie erinnert an Hatun Sürücu, die vor zwölf Jahren von ihrem Bruder ermordet wurde.
Zur Veranstaltung waren mehr als 100 Interessierte gekommen und legten Blumen nieder, darunter viele muslimische Frauen und Mädchen. Die Neuköllner Stadtteilmütter waren vor Ort, Vertreterinnen vom „Bundesverband der Migrantinnen Berlin“ und Aktivistinnen der Organisation „Terre des Femmes“, die über Hilfsangebote informierten.
Die Fahne war extra für diesen Tag entwickelt worden von der Gleichstellungsbeauftragten Sylvia Edler und dem Arbeitskreis Mädchen Neukölln „Selbstbestimmt leben – Gegen Gewalt an Frauen“.
Der Tod der 23-jährigen Hatun hatte 2005 in ganz Deutschland Entsetzen ausgelöst. Die junge Frau mit deutscher Staatsangehörigkeit und kurdisch-türkischen Wurzeln war in Berlin zur Welt gekommen. Als sie 16 war, nahmen ihre Eltern sie vom Gymnasium und zwangsverheirateten sie in Istanbul mit einem Cousin. Sie wurde schnell schwanger, zerstritt sich mit der Familie ihres Mannes und kehrte dann mit 17 Jahren zusammen mit ihrem kleinen Sohn nach Berlin zurück.
In ihrem Elternhaus hielt sie es jedoch nicht lange aus. Sie zog in ein Heim für minderjährige Mütter, legte ihr Kopftuch ab, machte den Hauptschulabschluss und holte sich psychologische Hilfe. Später nahm sie sich eine eigene Wohnung in Tempelhof und begann eine Ausbildung zur Elektroinstallateurin. Sie stand kurz vor der Gesellenprüfung.
Doch am 7. Februar 2005 besuchte sie ihr jüngster Bruder Ayhan. Sie begleitete ihn ein Stückchen auf seinem Heimweg zu einer Bushaltestelle. Dort fragte der junge Mann: „Bereust du deine Sünden?“ und schoss ihr dreimal in den Kopf.
Hatuns einzige „Sünde“ hatte darin bestanden, dass sie sich nicht den strengen Regeln ihres Elternhauses beugen und ein selbstbestimmtes Leben führen wollte. Ihr Schicksal löste eine große Debatte über sogenannte Ehrenmorde aus. Denn es war offensichtlich, dass Ayhan nicht allein verantwortlich für die schreckliche Tat war, sondern höchstwahrscheinlich die ganze Familie dahinter stand.
Ein Vorfall an der Neuköllner Thomas-Morus-Schule sorgte dann für weitere Diskussionen. Drei Schüler billigten offen die Bluttat und gaben Hatun selbst die Schuld an ihrem Tod. Schuldirektor Volker Steffens schrieb daraufhin einen offenen Brief, in dem er unter anderem die „Hetze gegen die Freiheit“ verurteilte.
Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte bei der Fahnenhissung: „Unabhängig von der Herkunft oder Religion haben alle jungen Menschen in Deutschland das Recht der freien Berufs- und Partnerwahl und das Recht, gewaltfrei aufzuwachsen.“ Dieses Recht müsse mit der Stärke des Rechtsstaats und mit Beratungs- und Hilfsangeboten für betroffene junge Frauen durchgesetzt werden. sus
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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