Drei Quadratmeter Sicherheit
Bezirksamt stellt erste Übernachtungsboxen für obdachlose Menschen an der Hertzbergstraße auf

Die Hütten wurden von Mitarbeitern des Unionhilfswerks gebaut. | Foto:  Unionhilfswerk
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„Die Hütten bieten erstmal einen traurigen Anblick, trotzdem sind sie gut“, sagt Marco Schulze, Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft My Way. Er spricht von den ersten Neuköllner „Safe Places“ (sichere Orte) für obdachlose Menschen, die auf dem Grundstück Hertzbergstraße 9 errichtet wurden.

Tatsächlich könnten die sechs hölzernen Wohnboxen kaum spartanischer sein. Etwa drei Quadratmeter groß, bieten sie gerade einmal Platz für eine Pritsche, ein paar Haken an der Wand, einige Ablagebretter. Kein Waschbecken, keine Heizung, durch ein winziges Fenster fällt ein bisschen Licht. Einziger Luxus ist eine Aufladebuchse fürs Handy, gespeist von Solarzellen auf dem Dach. Für die Notdurft stehen draußen zwei Dixie-Klos.

Sozialstadtrat Hannes Rehfeldt (Mitte) mit Marcus Blöhm und Marco Schulze von der gemeinnützigen Gesellschaft My Way. | Foto:  Schilp
  • Sozialstadtrat Hannes Rehfeldt (Mitte) mit Marcus Blöhm und Marco Schulze von der gemeinnützigen Gesellschaft My Way.
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Und doch kann eine solche Hütte für einen Menschen, der auf der Straße lebt, den Alltag einfacher und sicherer machen. Dort ist er geschützt vor Gewalt, Wind und Wetter. Er kann die Tür hinter sich zumachen, seine Habe verwahren. Einen Schlüssel hat er nicht nur für das Minihaus, sondern auch für das Tor, das auf das Gelände führt.

Nicht viel mehr, aber auch nicht weniger als ein Platz zum Schlafen.   | Foto: Schilp
  • Nicht viel mehr, aber auch nicht weniger als ein Platz zum Schlafen.
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Über normale Notunterkünfte sagt Sozialstadtrat Hannes Rehfeldt (CDU): „Wir haben nicht nur zu wenige, sondern oft auch die falschen.“ Es gebe Personen, die dort aus psychischen oder gesundheitlichen Gründen nicht übernachten oder leben könnten. Manche hätten auch schlechte Erfahrungen gemacht, seien beispielsweise Opfer von Diebstählen und Übergriffen geworden oder hielten es einfach mit anderen Menschen auf engem Raum nicht aus.

Zusammenarbeit mit Nachbarbezirk

Hier könnten die Safe Places eine Option sein, so Rehfeldt, der das Projekt auf den Weg gebracht hat – in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, wo es seit geraumer Zeit ähnliche Wohnboxen gibt. „Das Ganze kann auch scheitern, aber einen Versuch ist es allemal wert“, meint der Stadtrat. Eine echte Wohnung könnten die Minihäuschen jedoch auf keinen Fall ersetzen. Deshalb sei es das Ziel, die Bewohner so weit zu stabilisieren, dass sie ins Sozialleistungssystem zurückfinden und bestenfalls eine eigene Bleibe finden.

Sozialstadtrat Hannes Rehfeldt neben einer der Wohnboxen. | Foto: Schilp
  • Sozialstadtrat Hannes Rehfeldt neben einer der Wohnboxen.
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Dabei werden sie von der gemeinnützigen Gesellschaft My Way unterstützt, die die Projektleitung übernommen hat. Sozialarbeiter Marcus Blöhm ist fester Ansprechpartner. „Ich komme auch gerne dreimal am Tag vorbei, berate, begleite bei Amtsgängen“, sagt er. Und weil es gleich nebenan eine Kontaktstelle des Unionhilfswerks gibt, kann er sich bei Bedarf mit einem Klienten dorthin zurückziehen. „Unsere Türen stehen offen, auch unsere Gartengruppe und andere Angebote“, sagt Geschäftsführerin Ulrike Hinrichs.

Drei von den Boxen sind inzwischen von drei Männern bezogen. Mit ihnen wurden Nutzungsvereinbarungen geschlossen, erst einmal für drei Monate. Verlängerung kein Problem. Regeln gibt es nur wenige: kein offenes Feuer, Rücksichtnahme auf die Nachbarn, Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Sozialarbeiter. Hunde sind erlaubt. Alkohol und andere Drogen sollten nicht offen konsumiert werden, was hinter der geschlossenen Tür passiert, ist Privatsache.

Zur Ruhe kommen

Wer auf der Straße lebe, habe keine Ressourcen mehr, sagt Marco Schulze von My Way. „Wir wollen die Bewohner deshalb erst einmal zur Ruhe kommen lassen und keinen Druck machen. Nur so öffnen sich neue Türen.“ Er arbeitet seit fast 25 Jahren mit Obdachlosen in Berlin. Die Situation habe sich drastisch verschlechtert, berichtet er. „Früher gab es beispielsweise keine Familien, die auf der Straße landeten, mittlerweile ist das keine Ausnahme mehr. Auch die seelischen Erkrankungen nehmen zu und damit steigt drastisch die Gefahr, wohnungslos zu werden.“

Da können die sechs Safe Places nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Deshalb möchte Stadtrat Rehfeldt Ähnliches auch an anderen Orten im Bezirk schaffen. Doch bezirkseigene Grundstücke sind knapp. Immerhin kann er damit rechnen, dass die Boxen an der Hertzbergstraße eine Zukunft haben. Zwar soll auf dem Gelände eigentlich eine Kita gebaut werden, doch bisherige Planungen haben sich zerschlagen (Näheres dazu auf berliner-woche.de/385560). Dass sich dort in den nächsten paar Jahren etwas tut, ist daher unwahrscheinlich.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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