„Spannungslose Kunden“ sind die Ausnahme
Die Stromnetz Berlin GmbH sorgt dafür, dass in der Hauptstadt nicht die Lichter ausgehen

Henrik Beuster und Jörg Steinert vor dem neuem Umspannwerk an der Rollbergstraße. Rechts daneben das alte weißgraue Werk, das  noch bis 2025 in Betrieb sein wird. | Foto: Schilp
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  • Henrik Beuster und Jörg Steinert vor dem neuem Umspannwerk an der Rollbergstraße. Rechts daneben das alte weißgraue Werk, das noch bis 2025 in Betrieb sein wird.
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Um die 2,4 Millionen Haushalte und Gewerbebetriebe der Hauptstadt mit Strom zu versorgen, sind derzeit mehr als 35 000 Kilometer Kabel nötig. Das ist dreimal die Strecke von Berlin nach Rio. Verantwortlich für Betrieb, Erhaltung und Ausbau des riesigen Leitungssystems ist die landeseigene Stromnetz Berlin GmbH.

Der Löwenanteil des Stroms, der über das Netz in der Stadt verteilt wird, wird hier nicht erzeugt, sondern stammt von außerhalb. „Wir liegen mitten in Brandenburg, wo es viele Windkraftanlagen und Solarparks gibt – in Werneuchen sogar einen der größten Europas. Deshalb stammen geschätzt 60 Prozent des in Berlin verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien“, sagt Pressesprecher Henrik Beuster.

Blick zurück in der 1950er-Jahre: Auch damals waren schön Netzerweiterungen notwendig. | Foto: Bewag-Archiv
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In groben Zügen nimmt der Strom aus dem Umland folgenden Weg: An der Stadtgrenze wird er aus den Hochspannungsleitungen des übergeordneten Netzes an eine Handvoll Umspannwerke übergeben, wo er von 380.000 oder 220.000 Volt auf 110.000 Volt transformiert wird. Das ist eine Spannung, die einige Großbetriebe benötigen. Dann geht es weiter in die 71 Umspannwerke in den Bezirken. Aus diesen gelangt der Strom mit einer Spannung von 10.000 Volt via Leitungen und Trafo-Stationen zu den rund 17.000 Stromkästen, die an den Straßen stehen. Dort werden schließlich 400 Volt und später über die Hausanschlüsse die 230 Volt erreicht, die aus der heimischen Steckdose kommen.

"Wie ein Straßennetz"

„Das Ganze muss man sich wie ein Straßennetz vorstellen, das sich immer weiter verzweigt und zu 99 Prozent unterirdisch verläuft“, so Jörg Steinert. Er ist der Referent für Landes- und Bezirksbeziehungen bei Stromnetz Berlin. Die allermeisten Kabel liegen unter den Gehwegen. Vorteil: Bei Instandhaltungsarbeiten müssen meist keine Fahrbahnen aufgerissen werden. „Aber wir müssen manchmal monatelang auf die Genehmigung von den zuständigen Ämtern warten“, so Steinert.

Ein Schiff verlegt 1961 Kabel in der Havel. | Foto: Bewag-Archiv
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Bei akuten Störungen sei es etwas einfacher, etwa wenn ein Bagger eine Leitung beschädigt. Doch auch hier brauche es von der Behörde zunächst eine verkehrsrechtliche Anordnung. Liegt diese nicht vor und ist niemand im Amt zu erreichen, zum Beispiel in der Nacht, muss die Polizei gerufen werden, damit sie eine vorläufige Genehmigung für die Arbeiten gibt. Meistens merken die Verbraucher von einer Störung aber gar nichts, weil in der Regel auf ein Reservesystem umgeschaltet werden kann. Im Schnitt ist jeder Berliner lediglich 10,3 Minuten im Jahr ohne Strom. Die Experten sprechen in diesem Fall übrigens von „spannungslosen Kunden“.

Netzkapazität verdoppeln

Für den geplanten Ausbau des Netzes sind in Zukunft noch wesentlich mehr Kabelverlegungen nötig. „Wir werden innerhalb des nächsten Jahrzehnts unsere Netzkapazität verdoppeln und investieren dafür schon in den kommenden fünf Jahren rund zwei Milliarden Euro“, so Steinert. Der Grund für den höheren Bedarf liegt unter anderem an der wachsenden Zahl von Rechenzentren, E-Autos oder von Wärmepumpen, die Gebäude heizen. Doch es sind nicht nur mehr Kabel nötig, sondern auch neue Umspannwerke in den Kiezen. „Wir brauchen etwa 30 Grundstücke und das mitten in der Stadt. Das ist eine große Herausforderung“, sagt Steinert.

Millimeterarbeit: Der fast 60 Tonnen schwere Trafo wird durch eine Öffnung im Dach des neuen Umspannwerks  eingeführt.  | Foto: Stromnetz Berlin/Andreas Friese
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In Neukölln an der Ecke Rollberg- und Mainzer Straße wird gerade ein Umspannwerk auf eigenem Grund und Boden errichtet, direkt neben dem alten. Es geht voraussichtlich 2025 ans Netz und wird dann 38 000 Privatkunden und 3600 Gewerbebetriebe in der Nachbarschaft versorgen. Weil das Grundstück relativ klein ist, musste in die Höhe gebaut werden. Die drei 60 Tonnen schweren Transformatoren konnten nicht, wie sonst üblich, über Schienen ins Gebäudeinnere geschoben werden, sondern ein Schwerlastkran hob sie hinein – echte Millimeterarbeit.

Schnellere Genehmigungspraxis

Angesichts der anstehenden Netzerweiterung wünscht sich Steinert eine schnellere Genehmigungspraxis. Anders könne es gar nicht funktionieren, meint er. Gespräche darüber würden auch mit dem „Bürger*innenrat“ von Stromnetz Berlin geführt, der ihm sehr am Herzen liegt. Zwei Personen aus jedem Bezirk gehören zu diesem ehrenamtlichen Gremium. „Uns geht es darum, nicht nur die Perspektiven der Fachleute zu kennen, sondern viele unterschiedliche Sichtweisen“, so Steinert.

Die ersten Kabel wurden vor rund 140 Jahren verlegt. | Foto:  Bewag-Archiv
  • Die ersten Kabel wurden vor rund 140 Jahren verlegt.
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Tatsächlich wurde in den vergangenen Monaten im Rat auch eine Idee intensiv diskutiert, die bei Stromnetz Berlin Anklang findet: Gebe es für Kabelarbeiten nicht innerhalb von vier Wochen ein Okay für die notwendige Sondernutzungserlaubnis, könnte eine „Genehmigungsfiktion“ greifen, also von einer Genehmigung ausgegangen werden. Diese Frist könne von den Ämtern dann noch bis zu vier Wochen verlängert werden. Ist dann immer noch nicht über den Antrag entschieden, kann mit den Arbeiten begonnen werden. Um so verfahren zu dürfen, müsste allerdings das Berliner Straßengesetz geändert werden.

Wer das Netz zum Transport von Strom nutzt oder in das System Strom einspeist, kann das Unternehmen kaum beeinflussen. „Wir sind grundsätzlich verpflichtet, jeden anzuschließen, zum Beispiel, wenn jemand eine Solaranlage auf dem Dach installiert. Außerdem lassen in Berlin rund 500 Stromanbieter ihre Kunden über unser Netz versorgen “, so Pressesprecher Beuster. Die Zahl der Anbieter ist so hoch, weil der Markt offen für europäische Unternehmen ist, egal ob sie grünen Strom, Atomstrom oder Strom aus Braunkohle herstellen. Hier hat der einzelne Verbraucher die Wahl. Übrigens ist das Unternehmen auch für Stromzähler und – als Dienstleister für das Land Berlin – für die Betreuung der Straßenbeleuchtung zuständig.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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