Wiederentdeckte Straße
1920 ehrten die Berliner den Verleger und Mäzen Rudolf Mosse
Rudolf Mosse (1843-1920) war einer der bedeutendsten Berliner Presseunternehmer der Gründerzeit. Er gab unter anderem das auflagenstarke Berliner Tageblatt heraus. Im kommenden Jahr sollen seine Verdienste um das Wohl Berlins auf besondere Weise gewürdigt werden.
Der jüdische Verleger war nämlich zugleich einer der größten Sponsoren für soziale Einrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge sowie für den Sport in Berlin. Unter anderem ist seinen Spenden zu verdanken, dass auf dem früheren Exerzierplatz in Prenzlauer Berg eine Sport- und Spielanlage entstehen konnte, aus der sich später der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark entwickelte. Aus diesem Grunde ehrten ihn die Berliner, indem sie 1920 die frühere südliche Sonnenburger Straße nach ihm benannten.
Die Rudolf-Mosse-Straße führte von der Eberswalder zur Gaudystraße, quer durch den heutigen Jahn-Sportpark. Allerdings hoben die Nazis 1935 die Benennung dieser Straße auf. Und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf der Fahrbahn zunächst Trümmerschutt gelagert. Unter diesem verschwand schließlich die frühere Rudolf-Mosse-Straße. Später ist das Gelände so modelliert worden, dass auf ihm der Sportpark entstehen konnte. Dieser wurde dann anlässlich des 1. Deutschlandtreffens in Ost-Berlin eingeweiht. Dass sich noch immer Reste der Trümmer unter dem Sportgelände befinden, bemerkten Bauleute, als sie im vergangenen Jahr zur Topstraße hin einen neuen Ballspielplatz im Auftrage des Senats anlegten. Dort mussten nämlich zuvor die Trümmer beseitigt werden.
Heute erinnert im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark nichts mehr an den jüdischen Mäzen Rudolf Mosse. Das möchten der Schriftsteller Holger Siemann, der Historiker Stephan Müller und weitere Anwohner und Fußballfans ändern. Holger Siemann ist es auch, der bei Recherchen zu seinem Buch „Das Weiszheithaus: Ein Jahrhundertroman“ die einstige Rudolf-Mosse-Straße wiederentdeckte. Das Haus, in dem seine Familiensaga spielt, steht an der Ecke Sonnenburger und Kopenhagener Straße. Um sich an den örtlichen Gegebenheiten orientieren zu können, stellte er Recherchen zu dieser Gegend an. „Dabei stieß ich auf eine Karte von 1925. Erstaunt stellte ich fest, dass die Sonnenburger Straße in ihrem südlichen Teil einmal nach Rudolf Mosse benannt war“, sagt der Schriftsteller.
Er erzählte einem Freund von dieser Entdeckung. Und der erinnerte sich sofort an die Geschichte des „Erfinders“ des FC Bayern München, des jüdischen Kaufmanns Kurt Landauer. Unter seiner Führung wurde der Verein 1932 erstmals deutscher Meister. Die Nazis internierten ihn später kurzzeitig im KZ Dachau. Danach floh er in die Schweiz. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er nochmals als Präsident den FC Bayern München auf. Weil sich die Fans des Vereins vehement dafür einsetzten, wurde nach seinem Tode eine Straße nach ihm als Kurt-Landauer-Weg benannt.
Mittlerweile hat Holger Siemann bereits Kontakt zu Rudolf Mosses Nachfahren aufgenommen. Mit der Idee im Kopf, die einstige Rudolf-Mosse-Straße wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, gelang es Holger Siemann, inzwischen etliche Mitstreiter zu finden. Zu diesen gehören unter anderem der Historiker Stephan Müller, das Fanprojekt der Sportjugend Berlin, das im Jahn-Sportpark beheimatet ist, der Links Verlag sowie Anwohner.
Auf Rudolf Mosse und die einstige Straße möchten sie im kommenden Jahr mit mehreren Aktionen aufmerksam mache. Unter anderem ist bereits eine Internetseite www.mossestrasse.de gestaltet worden, die sukzessive weiter gefüllt wird. Geplant sind ein Podcast und eine Mosse-Zeitung. Am 31. Mai, 100 Jahre nach Benennung der Rudolf-Mosse-Straße, soll außerdem eine Ausstellung zu deren Geschichte eröffnet werden. In deren Rahmen werden Stadtführungen angeboten. Weiterhin ist ein Fußballturnier um den Rudolf-Mosse-Pokal für Fußballmannschaften der D-Jugend geplant.
Weitere Informationen zu diesen Vorhaben gibt es über den E-Mail-Kontakt post@mossestrasse.de.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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