Ein Koloss wird kommentiert
Neue Tafeln informieren über den Ort, über Ernst Thälmann und den Kult um seine Person
Links und rechts neben der Zugangsfläche zum Ernst-Thälmann-Denkmal an der Greifswalder Straße stehen jetzt Tafeln. Auf denen ist mehr zur Geschichte des Ortes, zur Person Thälmanns sowie zum Denkmal selbst zu erfahren.
Diese Tafeln sind jetzt von BV-Vorsteher Oliver Jütting und Bürgermeisterin Cordelia Koch (beide Bündnis 90/ Die Grünen) enthüllt und der Öffentlichkeit übergeben worden. Seit Anfang der 1990er-Jahre wird um den Umgang mit dem monumentalsten Denkmal Ernst Thälmanns in Deutschlang diskutiert. Geschaffen wurde es vom sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel, eingeweiht 1986 zur der Eröffnung der Wohnanlage Ernst-Thälmann-Park.
Nach dem Fall der Mauer gab es immer wieder Forderung, das Denkmal abzureißen. Es gab auch Ideen, den gesamten Bereich umzugestalten. Doch umgesetzt wurde nichts davon. Stattdessen werden der Sockel und das Denkmal selbst immer wieder mit Farbe beschmiert beziehungswiese mit Schriftzügen versehen. Dieses Schicksal wird wohl auch die neuen Tafeln ereilen. Denn nach wie vor ist der Umgang mit dem Denkmal umstritten. 2013 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung auf Antrag der Grünen eine Kommentierung, welche „die Geschichte des Dargestellten und des Denkmals historisch kritisch aufarbeitet, kommentiert und anschaulich macht“. Ergänzend lobte das Bezirksamt 2019 einen deutschlandweit offenen Wettbewerb zur künstlerischen Kommentierung aus. 110 Künstlerinnen und Künstler beteiligten sich.
Der vom Preisgericht 2020 zur Realisierung empfohlene Entwurf „Vom Sockel denken“ der Berliner Künstlerin Betina Kuntzsch wurde 2021 fertiggestellt. Die historisch-kritische Kommentierung des Denkmals ist in den zurückliegenden Jahren unter Federführung der Gedenktafelkommission des Bezirks erarbeitet und nun abgeschlossen worden. Im Rahmen des Bund-Länder-Programms Städtebaulicher Denkmalschutz konnten die Tafeln finanziert werden.
„Wir freuen uns, dass es nun endlich eine Infotafel am Thälmann-Denkmal gibt, die die Figur Thälmanns, den DDR-Kult um seine Person und die Geschichte des Denkmals kritisch betrachtet“, kommentiert die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Hannah Wettig, die Einweihung.
„Dieser Koloss muss uns ein Mahnmal sein, Erinnerung an zwei Diktaturen und ihre fatale Verquickung. Thälmann war glühender Stalinist, sah während der Weimarer Republik den Hauptfeind nicht in den Nazis, sondern in der SPD und scheute nicht vor einer Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten zurück. Als KPD-Führer wurde er 1933 verhaftet, 1944 ermordeten ihn die Nazis im Konzentrationslager Buchenwald. Die DDR machte ihn zur Kult-Figur.“ Zugleich sei das Denkmal auch ein wichtiger Ausgangspunkt des Widerstands gegen Diktatur, so Wettig. Bei den Protesten gegen die Sprengung des früheren Gaswerks vor Ort und gegen das Denkmal lernten sich viele derer kennen, die 1989 dann die Friedliche Revolution auf den Weg brachten. „Hier laufen so viele Stränge deutscher Geschichte zusammen. Es war höchste Zeit, diese Geschichte Berlinern ebenso wie Besuchern der Stadt zu erzählen. Durch die kritischen Infotafeln und die Filme der künstlerischen Installation ist hier nun ein spannender Lernort entstanden, der viele Aspekte deutscher Geschichte unters Mikroskop nimmt.“
Mehr zur historisch-kritische und zur künstlerischen Kommentierung sowie eine englischsprachige Version sind auf www.vomsockeldenken.de/ zu finden.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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